BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Freitag, 20. Dezember 2013

NDR berichtet über Gustav-Frenssen-Strasse in Heide (19.12.2013)

Mit einem Beitrag im "Schleswig-Holstein-Magazin" hat auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) über das Projekt der Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide berichtet und war bei der Präsentation des Ergebnisses der Schüler des GHO am vergangenen Dienstag (17.12.) mit einem Kamera-Team anwesend:

Verlinkung zum Beitrag auf in der Mediathek auf www.ndr.de:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/s-h_magazin/media/shmag25651.html
(Auf das Bild klicken)

[Ein kleiner Fehler seitens des NDR: Der erste Umbenennungsversuch war nicht vor 25, sondern vor 30 Jahren]
Auf seiner Website äußerte sich auch der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete der Piraten-Partei, Patrick Breyer, und forderte eine Umbenennung: http://www.patrick-breyer.de/?p=259867
Wichtig sei ihm, "dass Umbenennungen nicht von oben herab erfolgen, sondern transparent und gemeinsam mit den Bürgern diskutiert werden, notfalls auch durch Bürgerentscheid entschieden werden."

Die Stadt Heide will auch die Bürger zumindest befragen. Einen kleinen Eindruck, wie ein Ergebnis aussehen könnte, und was die Anwohner darüber denken, haben wir vor ein paar Monaten bei einer eigenen Befragung durch Rückantwortpostkarten gewonnen, die zusammen mit einem Anschreiben und einem kurzen Informationsanschreiben an die Haushalte in der Gustav-Frenssen-Straße verteilt wurden.

Freitag, 29. November 2013

Informations-Veranstaltung über Gustav Fressen am 5.12.2013 in Heide

EDIT: Die Veranstaltung fand nach einer ersten Verschiebung nun am 17.12. statt. Kurzer Bericht siehe hier:
http://zeitungen.boyens-medien.de/aktuelle-nachrichten/zeitung/artikel/gho-schueler-frenssen-als-namensgeber-nicht-geeignet.html
 
Es tut sich was: Wie die "Dithmarscher Landeszeitung bereits am 5. November berichtete wird am 5. Dezember 2013 um 19:30 Uhr in den Räumlichkeiten des Gymnasiums Heide-Ost eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema Gustav Frenssen stattfinden. Beginnend mit einem Fachvortrag von Propst Dr. Andreas Crystall zur Person des Autors werden junge Menschen des 13. Jahrgangs des Gymansiums, die sich seit einigen Monaten mit dem dithmarscher Schriftsteller und seiner Wirksamkeit im Nationalsozialismus beschäftigen über Leben und Werk des Autors diskutieren. Anwesend sein wird auch Berndt Steincke, Ehrenvorsitzender der Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide. Die Veranstaltung richtet sich an Interessierte und Anwohner der Gustav-Frenssen-Straße in Heide, die nach dem Wunsch der Stiftung einer Umbenennung bedarf, da Frenssen sich im Nationalsozialismus willentlich und aktiv in den Dienst des Regimes stellte und die rassistisch motivierte Verfolgung der Juden und den Massenmord an Behinderten (Euthanasie) rechtfertigte. 

Anders als in dem verlinkten Artikel (s.u.) kann es aber nicht darum gehen, "ob es wirklich nötig ist, dass Heide eine Gustav-Frenssen-Straße hat." Es müßte eigentlich gefragt werden, warum Heide überhaupt noch eine Gustav-Frenssen-Straße hat, die bereits 1983 umbenannt werde sollte, wofür es schon damals dieselben guten Gründe gab wie heute.

Heider Anzeiger vom 20. November 2013, Seite 2:
http://www.e-paper.boyens-medien.de/e-paper/data/20131120/pdf/HEIDE_20131120_5857.pdf

Derselbe Artikel auch hier: http://kirche-dithmarschen.de/wordpress/archives/6371

Montag, 8. Juli 2013

Leserbrief vom 9. August 2012 (Dithmarscher Landeszeitung)

Gustav-Frenssen-Strasse bleibt? 

"Wenn in Heide nun über die Umbenennung der Carl-Diem-Halle debattiert werden soll, die neben jener Schule (St.-Georg) liegt, deren ursprüngliche Benennung nach dem fanatisch-antisemitischen Schriftsteller Adolf Bartels bereits eine unrühmliche Geschichte hat, dann ist das gut so. Ebenfalls muß man sich aber auch fragen, wie lange Heide eine Gustav-Frenssen-Straße unkritisch (be)stehen lassen will? Daß Frenssen ab 1933 zum Propagandisten der Nazis wurde, 1940 in "Recht oder Unrecht - mein Land" die antisemitischen Verbrechen der Nazis rechtfertigte, in seiner "Lebenskunde" von 1942 den Mord nicht nur an Geistigbehinderten, sondern auch an anderen Volksfeinden forderte und dabei den Nationalsozialismus eine Herrschaft des Guten nannte, wiegt meiner Meinung nach zu schwer. Die jüngsten Mahnungen für die Opfer der Diktatur in anderen Heider Straßen ("Stolpersteine") erscheinen angesichts der jahrzehntelangen Ehre eines Straßennamens wie Hohn."

Florian Dunklau

Freitag, 26. April 2013

Heinrich Mann - Kurzbiographie


Herkunft und Frühe Jahre (1871-1903)

Heinrich Mann, der älteste Sohn des Lübecker Senators Thomas Johann Heinrich Mann (1840-1891) und seiner deutsch-portugiesischen Ehefrau Julia da Silva-Bruhns (1851-1923), wurde 1871 in Lübeck geboren. nach dem Abschluß des Gymnasiums verließ er 1889 er die Stadt, die er in seinem Roman "Prof. Unrat" (1905) als Stadt der beschränkten "Pfahlbürger" und in "Der Untertan" (1914/1918) als das spießbürgerliche "Netzig" karikiert. Nach einer Buchhändlerlehre in Dresden und einem Verlagsvolontariat in Berlin, konnte es sich Heinrich Mann - nach dem Tod des Vaters 1891 mit einer Rente aus dem Erbe ausgestattet - erlauben, ein recht freizügiges Leben mit Aufenthalten in Italien und Frankreich zu führen.

Schon in den 1890er Jahre beginnt er schriftstellerisch aktiv zu werden. Diese erste Phase bis etwa 1904 ist als Phase der Selbstbestimmung zu sehen in der Mann auch versuchte den Anschluss an die literarische Moderne des "Fin de Siècle" zu finden - mit all ihren problematischen Erscheinungen. Wie peinlich Mann sein Frühwerk war, ist aus der Zurückhaltung zu ersehen mit der er sich darüber äußerte. Seinen ersten Roman "In einer Familie" verleugnete er er bis zu seinem 50. Lebensjahr.
Verständlich wird dies nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch in politischer. Denn hier steht Mann teils deutlich im Gegensatz zu seinem späteren Schaffen: Zu seinem essayistischen Gesamtwerk mit über 1000 Texten zählen auch 37 Beiträge, die er in einer kurze Phase als Herausgeber der national-konservativen Zeitschrift "Das Zwanzigste Jahrhundert - Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt" verfasste (1895/96). Das Journal bot alle Facetten des Wilhelminismus jener Jahre: Militarismus, Deutschtümelei, Hohenzollernkult. Darunter finden sich auch antisemitische Pamphlete, wie der Artikel "Jüdischen Glaubens" (5. Jahrgang, Nr. 11, S. 455-462), in dem er schreibt:
"Jeder vom nationalen und sozialen Gewissen geleitete wird daher Antisemit sein." (S. 462)
Auch in seinem ersten satirischen Roman "Im Schlaraffenland" (1900) und in "Die Göttinnen" (1902), werden antisemitische Stereotypen bedient. In seiner Zeit als Volontär beim S. Fischer Verlag hatte Heinrich Mann jenen aggressiven Antisemitismus des Kaiserreiches unbedacht aufgesogen. Er ist dann aber auch eines der wenigen Beispiele für ein Umlernen in Sachen Antisemitismus. In einem Brief von 1903 distanzierte er sich von seiner Mitarbeit am "Zwangzigsten Jahrhundert": "[Ich] redigierte ohne Überzeugung ein reaktionäres Wurschtblatt." In dem von Werner Sombart herausgegebenem Sammelband "Judentaufen" (1912) äußerte er schließlich auch öffentlich die positive Wirkung der jüdischen Mitbürger in der deutschen Kultur.
Das nach diesem persönlichen Wandel entstehende Hauptwerk Heinrich Manns das durch sein schon im Kaiserreich einsetzendes intensives öffentliches Engagement gegen Militarismus, falsche Obrigkeitstreue und Antisemitismus bestimmt ist (wie sie später im Nationalsozialismus in extremer Form kulminierten), hat schließlich bis heute - zurecht - das Bild seiner Person bestimmt.

Abkehr vom Wilhelminismus und Antisemitismus und Hinwendung zu Demokratie und Pazifismus (1904-1918)

Je länger Heinrich Mann sich in Italien aufhielt, desto mehr hatte er vermochte die durch das Klima des "Neuen Reiches" verfestigten Werte, Klischees und Stigmata abzulegen:
In Maximilian Hardens Zeitschrift "Die Zukunft" äußerte er 1904 in einem Essay eine scharfe historische Kritik am deutschen Machtstaat. In seinem Roman "Die kleine Stadt" (1909) geht er diesen Weg auf erzählerische Weise. Er zeichnet hierin mit hunderten charakteristischer Figuren eines kleinen italienischen Gemeinwesens ein Gegenbild zum wilhelminischen Deutschland, das als "hohes Lied der Demokratie" wirken sollte.
Ein anderer Roman, dessen Titel heute keinesfalls mehr so gewählt würde ("Zwischen den Rassen" (1907)), verdeutlicht Heinrich Manns Übergang vom Konservatismus zum Liberalismus, denn die Liebesgeschichte zwischen einem "nordischen Träumer" und einer "Südländerin" enthält mit Berufung auf den Naturrechtsphilosophen Rosseau eine Erörterung revolutionär-demokratischer Gedanken. Sein Aufenthalt in Italien hatte Heinrich Mann auch vor Augen geführt, dass er selbst das Ergebnis einer "Rassenmischung" und damit im Sinne des biologistisch-rassistischen Denkens ein "Verfallsprodukt" war.
Als Manns ausgereiftes und wohl bekanntes Werk, das seine politische und schriftstellerische Entwicklung am kann schließlich der am Vorabend des 1. Weltkriegs erschienene Roman "Der Untertan" gelten (erste Notizen 1906/07, Abgebrochener Vorabdruck im Juli 1914, Erstveröffentlichung Dezember 1918). Die Aufstiegsgeschichte des deutschnationalen Fabrikbesitzers Diederich Heßling nimmt als so gekonnt geschriebene Satire die wilhelminische Gesellschaft aufs Korn, wie - so der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler - schreibt: "kein Historiker das je so eindringlich beschreiben könnte."
Den Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich, das die Juden mit seiner Gründung 1871 zu gleichberechtigten Staatsbürgern gemacht hatte, bekämpft Heinrich Mann zur selben Zeit so vehement in anderer literarischer Form, wie er ihn einige Jahre zuvor bedient hatte. (s. o.: Werner Sombart: "Judentaufen" (1912)). Auch beginnt bald ein intensiver Gedankenaustausch mit deutsch-jüdischen Intellektuellen darunter: Max Brod, Lion Feuchtwanger, Erich Mühsam, Kurt Tucholsky, Joseph Roth und Stefan Zweig.
1914 heiratet Heinrich Mann die jüdische Schauspielerin Maria (Mimi) Kanova aus Prag (1886-1947 (gestorben an den Folgen der Haft im KZ Theresienstadt (1940-1945)). Aus der 1930 geschiedenen Ehe geht seine einzige Tochter Leonie Mann (verh. Askenazy, (1916-1986)) hervor.
Während des 1. Weltkrieges erscheint 1915 in Zürich, in der pazifistischen Zeitschrift "Die Weißen Blättern" sein Schlüsselessay "Zola". Auf 60 Seiten beklagt er, den Vergleich mit dem französischen Schriftsteller Emile Zola, der seit seiner Parteinahme in der antisemitischen Dreyfuss-Affäre ("J'accuse" (1898)) als Maßstab für intellektuelles Handeln galt, die allgemeine Kriegsbegeisterung, zu der sich auch Gerhart Hauptmann und sein Bruder Thomas ("Gedanken im Kriege" (1914)) hatten hinreißen lassen. Als einer der wenigen nimmt er Partei für eine demokratisch verfasste Gesellschaft und avanciert damit endgültig zu einem Vorbild für die linken Intellektuellen in Deutschland.

Weimarer Jahre (1918-1933)

Unmittelbar nach dem Krieg 1918 stellte sich Heinrich Mann sogleich dem demokratische Aufbau zur Verfügung und zwar weit links: Unter dem Bayrischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner (USPD) wird er Vorsitzender des "Politischen Rats geistiger Arbeiter" in München. Im Dezember 1918 erscheint "Der Untertan", dessen Veröffentlichung im Sommer 1914 durch den Ausbruch des Weltkrieges verhindert worden war. 1919 folgt auch der Essayband "Macht und Mensch" mit dem Reklamestreifband versehen: "Heinrich Mann für die deutsche Republik!". Er enthält u.a. den "Zola" und die abschließende Kritik am Kaiserreich ("Kaiserreich und Republik").
Während seinem romanistischen Werk ("Eugenie oder die Bürgerzeit" (ersch. 1928) - eine Art Gegenstück zu Thomas' "Buddenbrooks") der Erfolg in diesen Jahren versagt blieb, hat Heinrich Mann in der Zeit der Republik über 300 Essay veröffentlicht, die in Tageszeitungen ("Berliner Tageblatt", "Frankfurter Zeitung") und literarischen Zeitschriften erscheinen und ihm eine hohe Reputation verschafften. Wohlwollend (Wahlaufrufe für demokratische Parteien), aber mit kritischer Sicht ("Gegen Zensur, für Sittlichkeit" (1926)) wird Heinrich Mann zu einem Kämpfer für die Republik, vor deren Scheitern er bald warnen muss ("Bekenntnis zum Übernationalen" (1932)).
Auch setzt er sich für eine Verständigung und Versöhnung mit Frankreich ein ("Deutschland und Frankreich" (1923)) und tritt noch stärker gegen den Antisemitismus ein ("Das auferstandene Land", in: "Der Jude", Sonderheft Nr. 1 (1925); "Der Antisemitismus und seine Heilung", in: "Die Wahrheit" (Prag, 1928)).
1931 wird er Präsident der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste. Sein Ruf unter linken Intellektuellen ist so hervorragend, dass ihn Kurt Hiller in "Die Weltbühne" (Februar 1932) sogar für das Amt des Reichspräsidenten vorschlägt.
1932 unterzeichnet er u.a. einen Appell des Sozialistischen Kampfbundes gegen Hitler, ruft zur Wahlbeteiligung und - mit Albert Einstein und Käthe Kollwitz zur Opposition gegen die NSDAP und zum Zusammengehen von SPD und KPD auf. Am 15. Februar 1933 muss er von diesem Amt zurücktreten und wird mit anderen - u.a. Käthe Kollwitz - aus der Akademie ausgeschlossen. Am 21. Februar 1933 geht er ins französische Exil (Nizza (bis 1940)), im August wird er von Nazi-Deutschland ausgebürgert.

Exil und Kampf gegen Nationalsozialismus und Judenverfolgung, Tod (1933-1950)

Nach 1933 setzte er seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus in Frankreich fort: In der Zeitung "La Dépêche" kommentierte er für die französischen Leser monatlich die Vorgänge in Deutschland und versuchte die französisch-englische Stillhaltepolitik (Appeasement) gegenüber Hitler zu beenden. Über den intellektuellen Widerstand hinaus versuchte er auch den politischen zu fördern, was jedoch erfolglos blieb (ab 1935 von der KPD in Deutschland illegal verbreitete Schriften). Er galt - auch durch seine rege Beteiligung an deutschen Exilzeitungen ("Pariser Tageblatt", "Die neue Weltbühne") als "Stimme des anderen Deutschland".
1940 musste er über die Pyrenäen nach Spanien fliehen und gelangte am 13. Oktober 1940 nach New York, wo ihn sein Bruder Thomas begrüßte. In Amerika, anders als in Frankreich, verfügte er kaum noch über Publikationsmöglichkeiten, die ihn ökonomisch absichern konnten. Politisch beteiligte er sich jedoch weiterhin an den Veröffentlichungen der Bewegung "Freies Deutschland" in Mexiko.
Im amerikanischen Exil entsteht u.a. noch "Ein Zeitalter wird besichtigt", Heinrich Manns eigene sarkastische und zum Teil bittere Rückschau, historische Analyse der Zeitspanne, die er mit der französischen Revolution beginnen und mit der Landung der Amerikaner in der Normandie 1944 enden lässt.
Nach dem Krieg erhielt Heinrich Mann die offizielle Einladung zur Übersiedlung nach Ostberlin. 1949 folgte die Berufung zum Präsidenten der neugegründeten Akademie der Künste in der DDR. Am 12. März 1950 starb Heinrich Mann kurz vor der geplanten Rückkehr nach Deutschland in Santa Monica/Kalifornien. Seine Tochter lässt seine Urne 1961 nach Ostberlin überführen, wo sie auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt wird.

Literatur:

Carina Baganz: "Heinrich Mann", in: Wolfgang Benz: "Handbuch des Antisemitismus - Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart", Bd. 2/1 ("Personen A-K"), Berlin 2009, S. 513-514.
Wilfried F. Schoeller, Peter Klein (u.a.): "Heinrich Mann", in: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): "Kindlers Literaturlexikon", Bd. 3 ("Leo-Mar"), 3. völlig neubearb. Auflage, Stuttgart 2009, S. 652-663.
Klaus Schröter: "Heinrich und Thomas Mann", Hamburg 1993 (EVA Duographien, Bd. 1).
Peter Stein: "Heinrich Mann", Stuttgart 2002.
Rolf Thiede: "Stereotypen vom Juden - Die frühen Schriften von Heinrich und Thomas Mann", Berlin 1998.
Renate Werner: "Heinrich Mann", in: Walther Killy, Wilhelm Kühlmann (Hrsg.): "Killy-Literaturlexikon", Bd. 7 ("Kräm-Marp"), 2. vollst. überarbeitete Auflage, Berlin 2010, S. 650-655.

Donnerstag, 11. April 2013

Schützenstraße? Tunnelstraße? - Nie gehört!

Straßenumbenennungen in Heide seit 1910 - über Sinn und Unsinn.

Der gedruckte Stadtplan mit seinen meist geraden Linien verbreitet eine Illusion von Kontinuität. Die meisten älteren Heider werden sich aber noch gut daran erinnern können, welche enormen baulichen Veränderungen durch die Straßendurchbrüche zum Markt und die veränderte Verkehrsführung über die neugeschaffen Verläufe der Marsch- und Bahnhofsstraße ab Ende der 1950 vorgenommen wurden.
Es blieb nicht beim Abriss zahlreicher historischer Gebäude (u.a. des alten Rathauses). Einige der wichtigsten und zudem längsten Straße bekamen in den Jahren 1955 bis 1957 neue Namen. Die heutige Husumer Straße hieß Schützenstraße, die Hamburger Straße war einst der Landweg und die heutige Büsumer Straße war bis 1956 die ursprüngliche Marschstraße, deren Name etwas weiter nördlich für städtische Fortsetzung der Bundesstraße 203 neu vergeben wurde. Im Osten der Stadt wurde zudem aus mehreren Straßen oder Straßenteilstücken die Berliner Straße neu geschaffen.
Das große verkehrsbauliche Modernisierungsprogramm ging also mit der Umbenennung zahlreicher Straßen einher, die Namen nach nah- und fern-gelegenen Städten in der jeweiligen Himmelsrichtung erhielten. Dass hunderte Haushalte sich mit der wohl größten einheitlich betriebenen Namensveränderung in Heides Geschichte an neue Namen gewöhnen mußten, lag die Idee zugrunde, daß die Hauptstraßen einer nach dem Krieg sich auf über 20.000 Einwohner verdoppelten Kreisstadt nicht "Landweg" oder "Schützenstraße" heißen könnten - es ging hier in besonderem Maße um Ästhetik und Übersichtlichkeit im Stadtbild.
Nur einige Jahre zuvor, im Mai 1945, ging es um etwas anderes: Die britische Besetzungbehörden beseitigten in Heide, wie in allen deutschen Städten, die offensichtlichsten Spuren der Nazi-Zeit: Die heutige Bürgermeister-Blaas-Straße etwa, benannt nach dem ersten Bürgermeister der Stadt Heide, August Blaas, war als neu-geschaffene Straße in den 1930er Jahren nach der NS-Ikone Horst Wessel benannt worden.
Auch später wurden immer wieder einzelne Veränderungen an bestehende Straßen vorgenommen: Entweder um Heider Persönlichkeiten zu Ehren (Gasstraße -> Hinrich-Schmidt-Straße (1960er Jahre)), sich den übriggebliebenen Irrtümern der Geschichte zu stellen (Adolf-Bartels-Straße -> Bürgermeister-Vehrs-Straße (1965)), oder um wiederum veränderte städtebauliche Verhältnissen abzubilden (Ibsen-Peters-Straße -> Poststraße (ca. 1973)).

Fazit:
Was rechtfertigt eine Umbenennung bestehender Straßen? Im Mai 1945 war es die "politische Notlage", 1955 bis 1957 waren es ästhetisch-stadtplanerische Aspekte. Würde man beides miteinander vergleichen, würde man wohl zu dem Schluss kommen, dass bei der Umbenennung der Horst-Wessel-Straße (1945) oder der Adolf-Bartels-Straße (1965) gewichtigere Gründe vorlagen, als bei der Umbenennung der Schützenstraße oder des Freudenthal (1952, heute Teil der Norderstraße). Das sollte man auch bei Gustav Frenssen bedenken.

Übersichtskarte 
(Unvollständig. Korrekturen und Ergänzung bitte melden! Zum Vergrößern klicken.):

G. Frenssen: "Der Glaube der Nordmark" (1936)

"Der Glaube der Nordmark" von 1936 ist im Gesamtwerk Frenssens, nach der Auflage betrachtet, seine dritt-erfolgreichste Schrift (mind. 350.000 Exemplare). Mit ihr schloss er, breit öffentlich erkennbar endgültig seinen Übergang zum Nationalsozialistischen Regime ab und trat in baldiger Folge auch formal-endgültig aus der Evangelischen Kirche aus (1938). Als Synthese der bekanntesten Schriften der "Deutschen Glaubenbewegung", u. a. Alfred Rosenbergs antisemitisch-rassistisches Machwerk "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts", ist der "Glaube der Nordmark" eine Kampfschrift gegen das evangelische Christentum, das Frenssen mit antisemitisch-fremdenfeindlichen Affekten als "widerdeutsch" stigmatisiert. Frenssen deutet zudem die Auflösung christlicher Moralvorstellungen im Bereich der Ethik an, die er in der "Lebenskunde" weiter und fatal zu einer Lehre vom Massenmord an allem "Kranken" ausführt.


Auszüge (aus: 12. Auflage (56.-60. Tausend), Georg Truckenmüller Verlag, Stuttgart).
(Kommentierung folgt.)

S. 43f.:
"Zu der Zeit und in diesem Gemütszustand, im Zustand seelischer Niedergangs-, ja Untergangsstimmung, suchten viele in der Bibel, suchten und suchten, was ihr angeborenes, finsteres und hartes, ihr russisch, ihr undeutsch gewordenes Gemüt zu finden begehrte, und fanden es denn auch: all die finsteren Worte im Alten Testament und die finsteren, ja bösen Worte eines gewissen Teppichmachers Paulus in Vorderasien, der genial, epileptisch, seelisch halb irr, jüdisch orientalisch, mit eine Wust halber, unwahrer Bildung überladen, von einer künstlich grausamen Glaubenskonstruktion besessen, die wirklichem ihm unbekannte Gestalt des Galiläers Jesus nach seinem Sinn umgedeutet hatte. [...] Ein elender Glaube! Ein gotteslästerlicher Glaube! Denn es verunehrt das menschliche Geschlecht, das Gott geschaffen hat! Und undeutsch! Widerdeutsch! [...] Gegen alles, was germanisch ist!"

Dutzendfach bei Amazon & Co erhältlich.
S. 45f.:
"Und, um das Maß voll zu machen: da tritt in diesen unsern Tagen in Deutschland eine neue Art von Religion auf - jawohl, eine neue Art von Gottgläubigkeit, von Frömmigkeit -, kommt durch einen glühenden Menschen [= Hitler] zu Kraft und Macht, gewinnt in fünfzehn Jahren [= 1921-1936] mehr als dreiviertel des großen Volkes, und schafft, zur Macht gekommen, aus dieser seiner Art Frömmigkeit heraus, für körperliche Gesundheit und Sauberkeit, für wahrhafte Erziehung und Bildung, für frühe Ehen, für Schönheit und edle Freude, für brüderliche Gerechtigkeit, und mit all diesem für Ehre und Mut, kurz für das, was unserm deutschen Gefühl heilig ist, in vier Jahren [1933-1936] mehr, als die katholische Kirche und ihr Glaube in vierzehnhundert Jahren, und die protestantische in vierhundert Jahren.
Und so, da dies alles vor Augen stand und steht, fühlt die Masse der Menschen immer deutlicher, daß jenes unsägliche Weltwunder, jene ungeheure Schöpfungsbegebenheit von Bethlehem und Golgatha, nicht die Wahrheit sei, und wendet sich vom christlichen Glauben ab."

S. 74ff.:
"Was ist es im Grunde und überhaupt mit diesem christlichen Glauben und der deutschen Seele? [...] Sie hat immer und immer, all die Jahrhunderte hindurch, das Gefühl gehabt, daß der christliche Kirchenglaube etwas in sich habe, das nicht für sie passe. [...] Aus diesem Gefühl heraus hat sie immer wieder versucht, nach ihrer deutschen, ernsten, gründlichen und grübelnden Weise, ihn der deutschen Natur gemäßer, ihn germanischer zu machen. [...] Im Leben Jesu (in "Hilligenlei") habe ich den Heiland als einen Menschen dargestellt, der, einem Germanen gleich, für eine rein geistige, feurige Idee streitet und stirbt. [...] Als das deutsche Volk dann, von der Hitler-Bewegung tief erregt, von dem großen, urdeutschen Gedanken tief ergriffen, wieder Mut gewann, traten die "Deutschen Christen" auf und wiederholten noch einmal diese uralten Versuche. Sie wollten den christlichen Glauben, indem sie ihn vom Jüdischen frei machten, dem deutschen Gemüt erträglich machen. Es ist allen bekannt, wie dieser Versuch zusammengebrochen ist."

S. 108:
"Der christliche Glaube sagt: "Ich komme von weither, aus dem Lande Israel, über Jesus von Nazareth, Hunderte von Lager- und Herdfeuererzählungen, Paulus, Papst, Luther." Und er ist um deswillen eifersüchtig und absprechend gegen das Hiergewachsene, das Heimgewachsene, Völkische.[...] Ist da etwas Großes und Heiliges in der Welt, so muß es doch aus der Fremde kommen, aus einem fernen Fabelland, einem Wunderland, einen weiten Weg![...] Der Glaube der Nordmark sagt: [...] Unser Glaube muß heimisch sein, blutgeboren und vom Blut immer neu gezeugt bis auf diesen Tag, germanisch deutsch geboren."
S. 109:
"Der christliche Glaube sagt: Jedes deutsche Kind muß an dem jüdischen Glaubensgut und an den jüdischen Helden und Patriarchen, von Abraham bis Johannes, seinen Glauben erleben und bilden. Der Glaube der Nordmark sagt: Jedes deutsche Kind muß an deutschem Glaubensgut und an deutschen Helden und Patriarchen, von Hermann dem Cherusker bis zu Goethe, Hindenburg und Hitler seinen Glauben erleben und bilden."

S. 116f.:
"Der christliche Glaube sagt: Heilig, Heilig ist dies und das! Und die bürgerliche Gesellschaft, die der christliche Glaube geschaffen hat, sagt dasselbe. [...] Der Glaube der Nordmark sagt: Heilig sind die Gesetze des Lebens. Mehr nicht: die Gesetze des Lebens! Und die Menschheit kennt sie. Die sie wohnen in unserer Brust und stehn auf Erden und im Himmel aufgeschrieben. (Aber die Menschheit und unser Volk ehrt sie nicht. Noch nicht. Und dreiviertel alles menschlichen Elends kommt von dieser einen Sünde.) [...] Der christliche Glaube von dem lebenden und sterbenden Welterlöser neigt dazu, die Pflege der Armen und Elenden in den Vordergrund zu stellen. Der Glaube der Nordmark, der Glaube an den Gott des sinnlich-seelische Lebens und seiner harten Gesetze, neigt dazu, die Pflege alles Gesunden bei weitem voranzustellen."

S. 119f.:
"Woher war der christ-evangelische Glaube? In Tarsus gebürtig, über Jerusalem, Alexandrien, Rom, nach den rätselvollen Wegen und Willen des Alls, auf Gottes Wunderwegen, nach Germanien verschlagen. Was sollte ich mit dem fremden, überklugen, verkünstelten, versteckten, grausamen Glaubensgebilde?"

S. 132:
"Die neue Bewegung plante keineswegs Feindschaft gegen de christlichen Glauben. [...] Aber indem diese Bewegung, anders als die bisherige, ihr Wesen aus der tiefsten germanischen Natur schöpfte, da sie auf das Blut zurückgriff, den Urgrund jedes Menschen- und jedes Volksseins, [...] bewirkte sie, ohne es zu wollen, daß die deutschen Menschen [...] neu zu fragen begannen, welcher Glaube denn wohl zutiefst im germanischen Blut läge."

S. 134f.:
"So wie diese politische Bewegung eine echt deutsche war, aus den Urgründen der deutschen Seele, gedachten diese Leute, aus den im Judentum beheimateten christlichen Glauben das Gutgläubige, Tätige, Mutige, Frische, Gütige, das auch darin ist, hervorzureißen, ein positives Christentum aufzustellen. Sie wollten das Christentum deutsch, nationalsozialistisch machen. Darum nannten sie sich "Deutsche Christen". Zu gleicher Zeit versuchten andere dasselbe, indem sie das alte jüdische Testament fallen ließen und, statt seiner, altes deutsches Glaubensgut setzten. [...] Sie nannten sich "Deutsche Kirche". [...] Aber beide Bestrebungen mißlangen. [...] Am meisten dadurch, weil das Wesen, der Kern des christlichen Glaubens, jeder Verdeutschung widerstrebt."

S. 135f.:
"Die "Deutschen Christen" hatten auch nicht mit den Kirchengläubigen gerechnet. [...] Dies Kirchenvolk ist in der Nordmark sehr klein, vielleicht noch drei vom Hundert. [...] Dazu kamen endlich auch die, welche, enge und zum Teil böse Menschen, von Natur Stänker, die politische Einigkeit des Volkes nicht ertragen. Alle diese taten sich zusammen und bildeten die "Bekenntnisfront", die "Bekenntniskirche". [...]
Da steht er, von nun an unverändert, unveränderlich! Dieser Glaube an den Welterlöser mit all seinen kleinen, meist unnützen Wundern in den Dörfern des fernen, kleinen jüdischen Landes."

S. 137:
"Unterdessen wird das große Volk der Nordmark, all diese Scharen würdiger Arbeiter, all diese Massen ernster Männer und Frauen [...] werden mit der Welt gehn, mit dem Wandel der Welt [...] zu dem neuen Glauben übergehn. [...] Sie gehören ihm in ungeheurer Mehrzahl an. Von jeher. Von Blut und Boden, Vorfahren und Eltern wegen. Und hunderttausend haben ihre Seelen schon abgestäubt und frisch gemacht, sind sich schon bewußt, daß sie nicht mehr Christen sind.
Und viele ernste und kluge Federn sind im Gange und treiben die Bewegung weiter.
Ich will nur wenig mit Namen nennen. [...] Alfred Rosenberg hat in seinem "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts", von einer mächtigen Allgemeinschau aus, die seit langem selten gewesen ist, die Bedenken und Forderungen germanischen Blutes und germanischer Seele nachgewiesen. In dem Buch "Deutscher Gottglaube" und andern Büchern und in ihrer Zeitschrift "Im heiligen Quell deutscher Kraft" kämpfen Erich und Mathilde Ludendorff mit dem redlichsten und heißesten Willen für einen neuen deutschen Glauben. [...] [Wilhelm Hauers "Deutsche Gottesschau" und die u.a. von ihm herausgegebene Zeitschrift "Deutscher Glaube"] berichten aufs beste und redlichste über die ganze deutsche Glaubensbewegung. Der nun auch diese Schrift dienen will."

S. 141:
"Viele, von stärkerer Natur und von röterem deutschen Blut, ihren Nordmarksbrüdern gefühlsmäßig enger verbunden als den Männern von Jerusalem, Tarsus und Rom, haben schon lange, unter indischer, jüdischer, hellenischer oder römischer Spruchstelle und Überschrift, aus dem Bibelbuche genommen, germanischen Glauben gepredigt. Diesen wird es möglich sein, sich von all dem Fremden noch mehr zu befreien und den rein eignen, wirklichen Glauben der Nordmark zu verkünden."

Ein Holocaust-Leugner und ein Alt-Nazi für Frenssen (1983)

Im Zusammenhang mit Berichten über die Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße in Heide veröffentlichte die "Dithmarscher Landeszeitung" 1983 eine ganze Reihe von Leserbriefen, in denen teils leidenschaftlich über die Person Frenssen und sein Werk gestritten wurde und in die sich auch ein bekannter rechtsextremer Autor einmischte (In der 2013/2014 öffentlich geführten Frenssen-Debatte fiel die Veröffentlichung von zwei offen antisemitischen Leserbriefen auf).

 

Nachdem Kreispräsident Gosau (CDU) Frenssen zuvor als "typisch" für "Land und Leute" bezeichnet und Zustimmung zur Idee der Gründung einer Gustav-Frenssen-Gesellschaft (ähnlich der [Friedrich-]Hebbel-Gesellschaft) geäußert hatte, protestierte die Schulgruppe der GEW am Schulzentrum Heide-Ost mit einem durch Bernd Müller verfaßten Leserbrief dagegen (DLZ vom 3. Mai 1983, Seite 12). Er zitierte dabei auch einen längeren Abschnitt aus Frenssens "Der Glaube der Nordmark" (1936):
"Ich will den christlichen Glauben, den ihr in Schule und Konfirmandenunterricht gelernt habt, Menschen der Nordmark, und den, der nach dem Willen Gottes von Blut und Boden, Wolken und Schicksal in der Welt, in der Tiefe unsrer Seelen lebt, einander gegenüberstellen. Wobei es mir nicht darauf ankommen soll, daß ich einen geraden Gang der Gedanken gehe, sondern daß ich alles und deutlich sage. [...] der christliche Glaube sagt: Jedes deutsche Kind muß an dem jüdischen Glaubensgut und an den jüdischen Helden und Patriarchen, von Abraham bis Johannes, seinen Glauben erleben und bilden. Der Glaube der Nordmark sagt: Jedes deutsche Kind muß an deutschem Glaubensgut und an deutschen Helden und Patriarchen, von Hermann dem Cherusker bis zu Goethe, Hindenburg und Hitler seinen Glauben erleben und bilden"
(Der Glaube der Nordmark (unbekanntes Jahr), S. 98ff.)
"Der Glaube der Nordmark" ist der Auflagenstärke nach die dritt-erfolgreichste Schrift Frenssens insgesamt (mind 350.000 Stück). Ein Grund für diesen Erfolg lag darin, daß es eine "gefällige Synthese" (Crystall, S. 463) verschiedener "deutschgläubiger Autoren" ist, unter ihnen u. a. Alfred Rosenbergs "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" (Rosenberg galt als Chefredakteur des "Völkischen Beobachters" als DER Ideologe des Nazi-Regimes wurde späterer "Reichsminister für die besetzten Ostgebiete". Wegen "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" wurde er in Nürnberg 1946 zum Tode verurteilt).
Frenssens Werk wurde in hohen Zahlen auch als Jugendweihegeschenk übergeben.

Ein Revisionist und Holocaustleugner bezieht Stellung

Im Rahmen eines weiteren Artikels in der DLZ ("Name der Gustav-Frenssen-Straße ist umstritten - SPD mit Antrag zur Straßenumbenennung in Heider Stadtverordnetenversammlung" (DLZ vom 15. September 1983)) meldete sich ein Otto Schwisow aus Rotenburg/Wümme mit einem Leserbrief zur Frenssen-Debatte zu Wort:
"Jedes Volk hat seinen Sozialismus! In welchem Land du immer geboren bist, da ist deine Heimat, und ihre Dichter, das sind auch deine Dichter! [...] Man sollte daher Geistesgut als 'Nationalgut' behandeln und weitergeben, statt es in Vergessenheit geraten zu lassen. Auch die Namen, die einst geehrt wurden, gehören dazu. Gustav Frenssen hatte zu seiner Zeit so großen Erfolg, weil er 'die Seele des Volkes' richtig erkannt hatte. Dieses bezog sich sogar auf seine Konsequenzen, die er als Pfarrer zog. Er hatte besonders mit seinem 'Glaube der Nordmark' seine Mitmenschen richtig beurteilt."
(DLZ vom 29. September 1983, Seite 11)
Während der Name Otto Schwisow den wenigsten etwas sagt, war er den Rechtsextremen jener Jahre nicht unbekannt: Im Orion-Heimreiter-Verlag mit Sitz in Heusenstamm bei Frankfurt/M. veröffentlichte der ehem. NSDAP-Ortsgruppenleiter in Hamburg-St.-Pauli (Mitglied seit 1925) und Krankenkassendirektor i. R. im Jahre 1978 unter dem Titel "Gegen Lügenpolitik und Geschichtsfälschung" eine geschichtsrevisionistische Schrift, in der er u. a. den französischen Holocaust-Leugner Paul Rassinier zitiert, der die Funktion der Gaskammern zum Zwecke des millionenfachen Mordes - und damit den Holocaust (die Shoa) leugnete (Dies ist in Deutschland erst seit 1985 ein Straftatbestand). Zudem stellt Schwisow den Krieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion als einen Präventivkrieg dar.
Durch die Formel "Jedes Volk hat seinen Sozialismus!" in dem Leserbrief, deutete Schwisow seine politische Überzeugung mehr als an (= National-Sozialismus).
Der Orion-Heimreiter-Verlag gehört heute zur "Lesen & Schenken Verlagsauslieferung und Versandgesellschaft mbH" des Rechtsextremisten Dietmar Munier, zu der auch der ARNDT-Verlag gehört, laut Verfassungsschutzbericht des Landes Schleswig-Holstein 2008 einer der "bekanntesten Verlage des rechtsextremistischen Spektrums."
Mit Otto Schwisow, der zudem Mitglied der Theodor-Storm- und der Friedrich-Hebbel-Gesellschaft war, nahm 1983 also ein einschlägig rechtsextremer Autor für Frenssen und insbesondere für den "Glauben der Nordmark" Stellung.

Kein Amt - keine Verantwortung.

Die konservativen Politiker noch der 1980er Jahre verfolgten dagegen offensichtlich die Idee vom "Doppelten Frenssen", dem gutmütigen, harmlosen Heimatdichter auf der einen und dem nationalsozialistischen Mitläufer auf der anderen Seite, mit der Konsequenz: "Ehre dem Dichter Frenssen, Vergessen dem Antisemiten Frenssen." Nicht anders hatten Jahre zuvor die Adolf-Bartels-Befürworter in Wesselburen argumentiert.
Die Rechtfertigungen für dieses Vergessenmachen der Folgen, die Frenssens Publizistik der Jahre 1933 bis 1945 befördert und unterstützt hatte, sind aus den Begründungen des Beschlusses des CDU geführten Heider Magistrats aus dem Januar 1984 zu entnehmen. Folgende Stichworte lassen sich nennen (Zitiert nach DLZ vom 14. Januar 1984):

1. "Kein Wegbereiter des Nationalsozialismus"
2. "Während der Zeit von 1933 bis 1945 für das parteipolitische Geschehen keine Rolle gespielt"
3. "Überwiegend Heimatdichter"
4. "Zeitgenossen hätten ihn als selbstlosen und warmherzigen Mann charakterisiert, der stets ein
offenes Ohr für die Sorgen anderer gehabt habe."
5. "Mitläufer" mit "geringer politischer Bedeutung"

So wogen die mehr oder minder stimmigen Tatsachen, daß er nicht zu den Wegbereitern des Nationalsozialismus gehört hatte, daß er auch nicht Mitglied der NSDAP kein offizielles Amt inne gehabt hatte und sich in Barlt "selbstlos und warmherzig" verhalten habe, seine umfangreiche Propaganda-Tätigkeit im Dritten Reich für Hitler, den Nationalsozialismus und für die Ermordung hunderttausender Menschen fast mit Leichtigkeit auf.
Daß Frenssen überwiegend Heimatdichter gewesen sei ist angesichts der Auflagenstärke und der politischen Dimension auch seines früheren Werkes (etwa während der Ersten Weltkrieges (1914-18) und schon davor in "Peter Moors Feindfahrt nach Südwest" (1906)) zu bestreiten.
Frenssens Rechtfertigung nationalsozialistischer Politik und zuweilen seine über das Handeln des Regimes weit hinausgehenden Forderungen sind zudem, gänzlich unabhängig von Parteizugehörigkeit und Amt, Zeichen von Menschenverachtung und Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus.

Ein Alt-Nazi als Kronzeuge: Hans Beeck

Hans Beeck steuerte in seinen 1969 im (rechtsextremen) Türmer-Verlag erschienen Erinnerungen "Mein Begegnen mit Gustav Frenssen" noch die völlig unkritische und unpolitische Betrachtung über die Person Frenssen in seinem heimatlich-dörflichem Umfeld bei, und verteidigt Frenssen u.a. mit den Worten,

"er habe sich so mutig und furchtlos der sogenannten kleinen Leute [angenommen]".    (S. 6).

"Wir dürfen über Gustav Frenssen und sein Werk nicht achtlos hinweg gehen. Er hat uns viel zu sagen. Versuchen wir es mit irgend einem [sic!] seiner Bücher. Wir werden erstaunt sein über die Kraft seines Erkennens und über seine überragende Menschlichkeit [sic!]. Sie gelten nicht nur für die damalige Zeit seines Wirkens. Sie gelten in gleichem Maße auch für heute [sic!]." (S. 9)
"Immer hat er es aus ehrlichem, aufrichtigem Herzen getan, nie aus geldlichen Beweggründen. Und, wie schon gesagt, stets für die arbeitenden Schichten der Bevölkerung, die selbst keine Aussage über die sie bedrängenden Probleme machen konnten. [...] Menschen, die mit ihrer Not nicht fertig werden konnten, kamen von weither, sich Hilfe, Kraft und Trost bei ihm zu holen." (S. 10)

Beeck verharmlost Frenssen, wo er auch seine Rolle verhamlosen könnte: Seit 1925 Mitglied der NSDAP, war er Mitglied des nach 1934 nur noch pro forma existierenden nationalsozialistischen Reichstags und ebenso bis 1945 NS-Kreisbauernführer in Dithmarschen. Er zeichnet auch verantwortlich für Frenssens Begräbnisstätte auf dem Wodansberg bei Windbergen, die er einrichten ließ, "damit nationalsozialistische Trauerfälle sich von christlichen Einflüssen emanzipieren" könnten (Crystall, S. 491).
In Beeck, der Frenssen persönlich seit 1920 kannte, dürfte man wegen seines Buches und seiner Prominenz in Dithmarschen den wichtigste jener "Zeitgenossen" erkennen, auf die man sich beim Beschluss des Jahres 1984 berufen hätte können.
Im schon vor 1933 vom Nationalsozialismus tief durchdrungenen Land an der Westküste wären so auch Jahrzehnte nach 1945 u. a. die herzlichen Worte einer - im Gegensatz zu Frenssen - "parteipolitisch" bedeutenden ehem. regionalen nationalsozialistischen Führungsgestalt hilfreich gewesen, Frenssen ein gutes Leumundszeugnis zu verschaffen. 
Nicht anders sogar in Hamburg, wo die CDU, damals vielfach auch noch Geisel von alten Männern mit vormals tiefbrauner Vergangenheit, Frenssen wörtlich einen "Kämpfer für ein gesünderes, gerechteres und kraftwilligeres Deutschland" nennen konnte (Töteberg, S. 191). 
Daß dadurch letztlich das ehrliche Bemühen zunichte gemacht wurde, Frenssens Wirken über Barlt und Dithmarschen hinaus ernsthaft kritisch zu betrachten, liegt auf der Hand. Denn wer kann noch an Frenssens kaltherzige Worte denken, wenn man sich nur an den "warmherzigen Dichter", erinnern will?

Frenssen und die neuen Rechten

Während es nach 1945 nur wenige und bescheidene Versuche gab Frenssens Werke nachzudrucken ("Jörn Uhl" bei Lühr & Dircks St.-Peter-Ording, 1982 (3000 Exemplare)), haben seine propagandistischen Werke, von denen offensichtlich keines - trotz vielfach volksverhetzender Inhalte - indiziert ist, das Interesse von Rechtsextremen geweckt. Während es die völkisch-germanische Theologie "Glaube der Nordmark" wegen seiner hohen Auflage noch als Originalausgabe für oft nicht einmal 1 € - etwa bei Amazon.de (Marketplace) - zu kaufen gibt, ist insbesondere für die nationalsozialistische Propagandaschrift "Recht oder Unrecht" vermutlich eine Nachfrage vorhanden, die größer als das antiquarische Angebot ist. So kann man nämlich das 'Machwerk', das - wie "Mein Kampf" erst Ende 2015 gemeinfrei wird, als Papierkopie bei einem "national" eingestellt Online-Shop erwerben. [Eine Verlinkung unterbleibt hier aus verständlichen Gründen. Der Leser forsche ("google") selbst nach.]

Schluss

Frenssen selbst hat sich noch in seinen letzten Werken bemüht seine Überzeugung vom Nationalsozialismus bis in die frühen 1920er Jahre - seine demokratische Phase - zurückzudatieren und sich noch mehr dem System anzubiedern (Vgl. Crystall, S. 481, Fn. 222). Es hieße ähnlich geschichtsvergessen und manipulativ zu argumentieren, würde man ignorieren, daß die Lebensgeschichte des Barlter Tischlerssohn von Brüchen und Übergängen gekennzeichnet ist, die bis zu einem gewissen Grad ein Exempel der gesellschaftlichen Entwicklung jener Jahrzehnte wiedergeben.
Wie das Frenssen-Haus in Barlt zeigt, ist es keineswegs unmöglich, die Beschäftigung mit dem Werk des Schriftstellers Frenssen fortzuführen ohne dessen dunkelsten Seiten seines Lebens unter den Teppich zu kehren. Pastor Dietrich Stein, derzeitig verantwortlich für Führungen im Haus, schrieb allerdings im Vorwort des 1997 erschienen Sammelbandes auch: "Gustav Frenssen ist kein Mann für Straßenbenennungen".

Literatur/Quellen:
- : "Name der Gustav-Frenssen-Straße ist umstritten", in: "Dithmarscher Landeszeitung" vom 15. September 1983, Seite 10.
- : "Gustav-Frenssen-Straße wird nicht umbenannt", in: "Dithmarscher Landeszeitung" vom 14. Januar 1984, Seite 10.
Hans Beeck: "Mein Begegnen mit Gustav Frenssen", Türmer-Verlag, München 1969.
Andreas Crystall: "Gustav Frenssen - Sein Weg vom Kulturprotestantismus zum Nationalsozialismus", Chr. Kaiser Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002.
Kay Dohnke/Dietrich Stein (Hrsg.): Gustav Frenssen in seiner Zeit, Boyens & Co Verlag, Heide 1997.
Bernd Müller: "Über Gustav Frenssen" (Leserbrief), in: "Dithmarscher Landeszeitung" vom 3. Mai 1983, Seite 12.
Otto Schwisow: "Gegen Lügenpolitik und Geschichtsfälschung", Orion-Heimreiter-Verlag, Heusenstamm 1978.
Ders.: "Einst geehrt" (Leserbrief), in: "Dithmarscher Landeszeitung" vom 29. September 1983, Seite 11.
Michael Töteberg: "Sorry, Arno Schmidt! Ein kritisches Nachwort zum Frenssen-Funkessay - 25 Jahre später.", in: "Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt Leser", Nr. 8 (1990), S. 189-206.

Mittwoch, 3. April 2013

Frenssen und Bartels - Verbindendes, Trennendes

Gustav Frenssen (1863-1945) und Adolf Bartels (1862-1945) verbindet ihre Heimat, ihr berufliches Schaffen, ihre fast identische Lebensspanne und zuletzt auch ihre politische Überzeugung im Dienste des Nationalsozialismus - Ein Vergleich.

Gustav Frenssen starb am 11. April 1945 in Barlt. Noch in seinen letzten Worten, gerichtet an den Schleswig-Holsteinischen Gauleiter Hinrich Lohse, drückte er seine Überzeugung von und Hoffnung auf den Endsieg Hitler-Deutschlands aus. Am selben Tag befreiten die Amerikanischen Truppen bereits das thüringische Weimar, wo Adolf Bartels schon am 7. März 1945 verstorben war - unschwer zu vermuten mit derselben Gesinnung. Nur wenige Wochen später, am 5. Mai 1945 stehen die Briten auch in Dithmarschen. Der 2 Weltkrieg endet 3 Tage später.
Adolf Bartels, geboren in Wesselburen und Gustav Frenssen aus Barlt, beide Handwerkersöhne, hatten für kurze Zeit gemeinsam das Gymnasium in Meldorf besucht. Von hier aus nahmen ihre beiden Lebenswege jedoch zunächst einen völlig unterschiedlichen Verlauf:

Karrieren im Kaiserreich

Während Frenssen, wegen schlechter Noten, an das Gymnasium nach Husum wechselte, dort erst 1886 (mit 23) das Abitur ablegte, u. a. in Tübingen erfolgreich Theologie studierte und seit 1890 als Pastor in Hennstedt (ab 1892 in Hemme) tätig war, hatte Bartels 1882 die Schule kurz vor dem Abschluss allein weil sein Vater das Schuldgeld nicht mehr hatte aufbringen können abbrechen müssen. Als Hilfsschreiber am Wesselburener Amtsgericht und Nachhilfelehrer schlug er sich zunächst durch bevor er 1885 nach Leipzig zog und - ohne Aussicht auf einen akademischen Abschluss - Vorlesungen über Literatur, Geschichte und Philosophie besuchte. Zur selben Zeit als Frenssen wieder in seine Heimat zurückkehrte, hatte es Bartels zum Chefredakteur der Lahrer Zeitung (Baden) gebracht und bereits als freier Schriftsteller zahlreiche Gedichte, Erzählungen und für verschiedene Zeitungen, sowie Theaterkritiken und Rezensionen verfasst.
Das persönliche Verhältnis zu seinem ehemaligen Mitschüler Frenssen, dem die akademische Laufbahn nicht verwehrt geblieben war, und der mit "Jörn Uhl" (1901) einen überraschenden Durchbruch als Schriftsteller hatte, war zeitlebens belastet - vermutlich vom Neid Bartels -, wie ein teilweise erhaltener Briefwechsel zwischen den beiden, der sich um Bartels' Verriss eines Frenssenwerkes drehte andeutet.

Bartels: Völkischer "Vorkämpfer"

Um die Jahrhundertwende hatte sich Bartels, der in Frankfurt/Main seit 1892 mit jüdischen Intellektuellen, Schriftstellern und Verlegern bekannt war, zu einem radikalen Antisemiten gewandelt. Er veröffentlichte seine "Geschichte der deutschen Literatur" (1901/02) in der er unter 9000 Autoren eine "reinlichen Scheidung zwischen Deutschen und Juden" vornahm. Er prägte auch den Begriff der "Heimatkunst", jener literarischen Bewegung, die das vorindustrielle Zeitalter romantisch idealisierte und die meisten Erscheinungen der Moderne ablehnte.
In die Zeit des Kaiserreiches fällt auch seine politische Aktivität in der "Völkischen Bewegung", der nationalistisch-antisemitischen Strömung des Kaiserreich, aus der nach 1918 die NSDAP hervorging. 1913 organisierte Bartels den "Deutschen Tag" in Eisenach, der eine der frühen Versammlung völkisch-politischer Gruppen darstellte.

Frenssen: Liberal, national, sozial

Zu einer Zeit als sich in Bartels Schriften fast alles um den "Einfluss der Juden" auf die Deutsche Kultur drehte, war die Verbindung von Nationalismus und Antisemitismus, in Frenssens Schaffen und Äußerungen noch nicht gegeben. Jahrzehnte später, 1932, wird er in einem Brief schreiben:
"Ich war vor 30, 40 Jahren ein National-Sozialist und bin nie etwas anderes gewesen oder geworden. [...] Nun, da dieser National-Sozialismus in neuer Erscheinung hochkommt, gegen 70 Jahre alt, habe ich nicht mehr den schönen Glauben, an ihn wohl, aber nicht so an seine Vertreter. Ich habe aber für Hitler gestimmt [...] weil auch ich in ihm - ich habe ihn nicht gesehen - das Beste des deutschen Wesens ahne." (nach: Dohnke/Stein, S. 85)
Frenssen spielte damit auf seine Nähe zum liberalen "NationalsozialenVerein" Friedrich Naumanns an, mit dem zusammen er 1902 den Ehrendoktor der Theologie der Universität Heidelberg verliehen bekam. Den Pastor und Schriftsteller bewegen in diesen Jahren soziale Fragen seines heimatlichen Umfeldes, wie etwa die ernüchternde Situation der Landarbeiterschaft ("Die drei Getreuen" (1898)).
Daß Frenssen Naumanns Partei mit der Bewegung der neuen Machthaber zu identifizieren scheint ist höchst kurios: Der von 1896-1903 bestehende "Nationalsoziale Verein" war in Ablehnung der "Christlich-sozialen Partei" des ehemaligen preußischen Hofpredigers Adolf Stoeckers gegründet worden, weil er dessen Antisemitismus ablehnte. 1903 schloß sich Naumann mit den meisten Anhänger seiner Partei der "Freisinnigen Vereinigung" an, für die er ab 1907 im Reichstag saß. Adolf Bartels urteilt daher auch in seinem autobiographischen Buch "Kinderland" (1914), daß "der Freisinn nichts weiter sei als eine Judenschutztruppe" (Bartels, S. 459).

Weimarer Jahre

Nach dem ersten Weltkrieg blieb Adolf Bartels politisch eindeutig: rechtskonservativ und völkisch, und neigte zunächst der "Deutschnationalen Volkspartei" (DNVP) zu. Schon 1924 veröffentlichte er aber eine Broschüre mit dem Titel "Der Nationalsozialismus Deutschlands Rettung" und wurde 1925 Ehrenmitglied der NSDAP-Ortsgruppe Weimar.
Frenssen dagegen neigte zumindest Anfang der 1920er Jahre noch aufgeklärt liberalen Ansichten zu und bekannte sich zeitweilig zur neuen Demokratie. Seine Denken ist "disparat und schillernd" und "steckt noch voller Widersprüchlichkeiten und Unsicherheiten" (Crystall, S. 379). Die zwar schon vorhandenen Ideen zur Euthanasie und Rassenhygiene (Eugenik) rücken erst später in den Mittelpunkt. Auch eine sich radikalisierende antisemitische Haltung entwickelt sich erst in Korrespondenz mit seinem Verleger Müller-Grote und findet sich im zweiten Band der "Grübeleien" ("Möwen und Mäuse") von 1927 (Vgl. Crystall, S. 400ff., 404ff.)

Nach 1933

In der Zeit nach 1933 schließt Frenssen zu Bartels Publizistik der vorangegangenen Jahrzehnte auf: Während Bartels sich seinem letzten großen Werk, die "Geschichte der Thüringischen Literatur" (1938/1942) widmet, die zwar auch entsprechend gefärbt ist, aber keine eigentlich politische Schrift darstellt, entwickelt Frenssen sich zu einem Propagandisten der nationalsozialistischen Ideologie ("Der Glaube der Nordmark" (1936), "Recht oder Unrecht" (1940) und "Lebenskunde" (1942) u. a.). Zeitgleich mit dem Ausschluß der Brüder Mann und anderer liberaler oder jüdischer Autoren wird Frenssen zum Mitglied der "PreußischeAkademie der Künste" berufen. Seine Ehrung durch das Regime anläßlich seines 70. Geburttag läßt ihn in eine jener vielen Lücken aufrücken, die die Nationalsozialisten in der Kultur gerissen haben (Bücherverbrennung am 10. Mai 1933). Er wird Vorstandsmitglied des 1936 gegründeten "EutinerDichterkreises", der sich "bewusst den Zielen der NS-Regierung“ unterordnet (Lawrence D. Stokes) und arbeitet bis in die letzten Kriegs- und Lebensmonate für den Rundfunk und die Reichspressestelle der NSDAP. 

Schluß

Im schriftstellerischen und politischen Werdegang von Bartels und Frenssen finden sich neben Parallelen auch deutliche Gegensätze. Festzuhalten ist mit diesem sehr kurzen Abriss, daß beide keinesfalls bloß "harmlose Heimatschriftsteller" waren, sondern auch stets - persönlich und in ihren Werken - politisch bewegt waren (siehe auch: Frenssen's "Peter Moors Fahrt nach Südwest" (1906)).
So wie Adolf Bartels als klarer Wegbereiter und frühes Mitglied völkischer Gruppierungen und später der NSDAP identifiziert werden kann, muß man auch eingestehen, daß Gustav Frenssen - im Gegensatz zu seiner Frühzeit - aktiver, willentlicher und radikaler Propagandist der nationalsozialistischen Politik und ihrer Programme zur Euthanasie (T4-Krankenmord), Eugenik (Lebensborn) und der Verfolgung der Juden wurde.
Frenssen war wie Bartels nie ordentliches Mitglied der NSDAP. Seine frühe Erfolge als Schriftsteller machten ihn während der Jahre 1933 bis 1945 attraktiv für die Förderung eines Personenkults um ihn und seiner Schriften im Dienst des Regimes. Wenn die Aberkennung der Ehrung mit Schul- und Straßennamen für Bartels mit einer Verurteilung seiner vor 1933 erfolgten antisemitischen Propaganda begründet wurde, dann war und muß dies verständlicherweise ebenso für die breite und konkrete antisemitische Propaganda Frenssens in den Jahren nach 1933 gelten, auch wenn beide eine unterschiedliche Vorgeschichte haben.

Mittwoch, 27. März 2013

Umfrage: "Neuer Name Frenssenstraße?"

Ergebnisse der Umfrage

Nummern der Postkarten (Für die Absender zur Kontrolle):
105, 106, 108, 138, 156, 164, 190, 193, 208, 227, 228, 237, 238, 243, 244, 253, 257, xxx*. (*Vom Absender unkenntlich gemacht.)
(Bis zum Ende des Abstimmungszeitraumes (27. April 2013) eingetroffene Karten).
Die Nummerierung der Anschreiben und Postkarten beginnt erst mit Nr. 100 und endet mit Nr. 264. Insgesamt 154 Wurfsendungen mit Postkarten wurden am 28. März 2013 ohne Verbindung von Adresse und Nummerierung zugestellt (1 je Haushalt). Nicht berücksichtigt werden konnten aus rechtlichen Gründen Haushalte, die durch entsprechende Hinweise an ihren Briefkästen der Zustellung von nicht persönlich adressierten Wurfsendungen widersprochen hatten.

Beteiligung und Repräsentativität:

(zum Vergrößern anklicken)
Mit ca. 12 % hat sich etwa jeder Achte angeschriebene Anwohner an unserer Umfrage beteiligt. Als Gründe für diesen Wert dürften Vorbehalte gegenüber dem Verfahren ((unberechtigte) datenschutzrechtliche Bedenken) gegenüber den Durchführenden (unbekannter Hintergrund), dass sich das Thema noch in einer Frühphase der öffentlichen Diskussion befindet, sowie Desinteresse genannt werden. Das hierbei eine Schweigeverzerrung vorliegt (also die Nichtantwortenden ein gänzlich anderes Abstimmungsverhalten an den Tag legen würden als die Antwortenden), ist möglich. Da die Zahlenverhältnisse (von Befürworten und Gegner) im vorläufigen Endergebnis während des Abstimmungsverlaufes im wesentlichen konstant blieben (frühe und späte eintreffende Antworten zeigten jeweils ein Verhältnis von 1 zu 2), lässt sich das Ergebnis -  wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad - auf die Gesamtheit der Befragten übertragen.  

Ergebnisse im Einzelnen:

(zum Vergrößern anklicken)
1. 66,6% der Antworteten lehnten eine Umbenennung ab, wobei davon 17% explizit den (finanziellen) Aufwand für die Anwohner als Grund nannten. 33,3% der Befragten stimmten dem Anliegen dagegen zu, das mit Frenssens schriftstellerischen Aktivitäten im Dritten Reich begründet ist.




(zum Vergrößern Anklicken)
2. Bei der Frage, ob im Falle einer beschlossenen Umbenennung der konkrete Vorschlag "Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße" eine gute Alternative darstellen würde, äußerten sich 50% der Befragten negativ, wobei als einzelne Begründung die Länge der Namensvariante genannt ist. Bis auf einen ausländerfeindlich gesinnten, rechtsextremen Vorschlag sind von Seiten der Ablehnenden keine Alternativen genannt worden. Die andere Hälfte der Befragten stimmte dem Vorschlag dagegen entweder zu (33%), nannte kürzere Alternativen wie "Brüder-Mann-Straße" oder "Thomas-Mann-Straße" (11%) oder enthielt sich einer Entscheidung (6%).

Bewertung:

Es zeichnete sich ab, dass niemand explizit für die Person Gustav Frenssen Partei ergriff. Wo sich nicht zu Gründen für den Bestand des Straßennamens geäußert wurde liegen diese - so lässt sich vermuten - auch in teils jahrzehntelanger Gewohnheit zahlreicher Altanlieger, die mit dem Namen bislang nichts, weder positives noch negatives verbinden, sondern ihn schlicht nur als einen Straßennamen betrachten. Es zeichnet sich daher nicht ab, dass es - wie in Bad Oldesloe 1996 - zur Bildung einer Bürgerinitiative kommt, die versucht den Dichter zu "reinigen".
Konkret ist die Kritik daher nur in punkto Kosten: Ließe sich der die Anwohner betreffende Aufwand mildern (etwa durch eine teilweise Übernahme von Kosten (als Pauschale für jeden Haushalt) oder ein Moratorium (zwischen Umbenennungsbeschluss und dessen Vollzug läge eine längere Zeit (bspw. bis zu 1 Jahr)), das die Umstellung und den Verbrauch etwa von Werbeartikeln mit Adresszug ermöglicht), wäre der wesentlicher Konfliktpunkt aus dem Weg zu räumen.
Eine Umbenennung nach beiden oder einem der Brüder Mann fände wohl insgesamt (bei Umbenennungs-Befürwortern wie auch bei einem Teil der Gegner) mehr Zu- als Widerspruch, wenn auch z. T. eine kürzere Form gewünscht würde (Vorschlag: "Brüder-Mann-Straße").

(Gesamtübersicht. Zum Vergrößern klicken)

Kommentare der Absender (ggf. gekürzt (z. B. pers. Angriffe)):

[zu 1 (=pers. Gründe für oder gegen eine Umbenennung); zu 2 (=Vorschläge, Kommentare zu einem neuen Namen)]

Nr. xxx* (unkenntlich) zu 1: "Für die Kanaken!!!"; zu 2: "Kanakenstrasse, Klein Russland"
Nr. 108 zu 2: "Th.-Mann-Straße"
Nr. 190 zu 2: "Brüder Mann"
Nr. 193 zu 1: "Strassenänderung kostet Zeit und Geld. Wer bezahlt Adressaufkleber, Visitenkarten, Zeugnisse, Personalausweis und alle anderen Amtsunterlagen??"
Nr. 208 zu 1: "Weil mir der Name gefällt"; zu 2: "Ist zu lang, wenn dann nur Thomas-Mann-Str."
Nr. 227 zu 1: "Sehe keinen Sinn darin, gibt weitaus wichtigere Dinge um die man sich kümmern müsste! :)"; zu 2: "viel zu lang der Name"
Nr. 237 zu 1: "Da ich nicht unterstütze in einer rechtsorientierten Straße zu wohnen"
Nr. 238 zu 2: "Übernehmen Sie die anfallenden Kosten!!!"
Nr. 243 zu 1: "Geifernde Polemik im Zuge leerer Kassen, die den Anwohnern hohe Kosten (Änderung Ausweis pp) zusätzlich aufzwingt ist Ihnen wohl nicht bewußt! Sie wären gut beraten, endlich die Vergangenheit ruhen zu lassen!" (H.F.* vollständiger Name genannt).

Umfrageinformation:

Vom 28. März bis zum 26. April 2013 versucht eine Umfrage herauszufinden, wie die Anwohner der Gustav-Frenssen-Straße in Heide aktuell zu aufgekommenen Plänen einer Umbenennung stehen, die bereits zum Ende des Jahres in der Ratsversammlung debattiert werden könnten. Es soll dazu angeregt werden sich zu informieren und gegebenenfalls an der Suche nach einem neuen Namen zu beteiligen.

Die Unterlagen

Insgesamt 154 Briefe sind den Haushalten mit dem Umschlagvermerk: "Bezug: Umfrage zum Thema 'Neuer Name Frenssenstr.?'" zugestellt worden. Die Schreiben bestehen aus folgenden Teilen:

1. Formelles Anschreiben
2. Faltblattinformation zu Gustav Frenssen
3. Frankierte Antwortpostkarte mit Umfrage

Im Anschreiben wird kurz über den aktuellen Anlass des Schreibens informiert:
"Wie Sie dem Zeitungsartikel 'Straßenname in der Kritik' in der Dithmarscher Landeszeitung vom 20. Dezember 2012 entnehmen konnten, wird sich ein neues Projekt der 'Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung' mit der Person des Dithmarscher Pfarrers und Schriftstellers Gustav Frenssen (1863-1945) und seiner Rolle im Dienst der Propaganda des nationalsozialistischen 'Dritten Reichs' beschäftigen."
Das Schreiben erläutert das Verfahren der anonymen Meinungserhebung als Mittel einer möglichst frühzeitigen Sensibilisierung und Information der in erster Linie betroffenen Anwohner, denen durch Veröffentlichung der Ergebnisse, Meinungen, Kritiken und Vorschläge (zunächst auf dieser Webseite, später ggf. in den lokalen Medien) ein Forum zur Bürgerbeteiligung geboten werden soll.
Zudem wird die Akzeptanz des möglichen Vorschlages "Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße" im Falle eines Umbenennungsbeschlusses erfragt.

In einem Faltblatt werden eine kurze Biographie Frenssens ("Wer war Gustav Frenssen?"), die heute nur noch den wenigsten geläufig ist, und Hinweise zu weiterführender Literatur abgegeben. Den Hauptteil bilden jedoch Auszüge aus seinen Schriften "Recht oder Unrecht - mein Land" (1940) und "Lebenskunde" (1942), die bereits ein Bild von den radikalen nationalsozialistischen Ansichten Frenssens vermitteln (Ausführlicher hier dargestellt und kommentiert).

Auf der Antwortpostkarte, die mit dem Vermerk "Entgelt zahlt Empfänger" versehen ist, erhält der Empfänger die Möglichkeit seine bisherige Präferenz mitzuteilen (Umbenennung: Ja, Nein, Weiß (noch) nicht; H.-und.-Th.-Mann-Straße?) bzw. Lob und Unmut, Ideen und Anfragen zu äußern, die - anonym oder auf eigene Angabe hin - ebenfalls veröffentlich werden können, um ein Meinungsbild zu ermitteln.

Je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto repräsentativer und ggf. hilfreicher wird es sein, zu einem Ausgleich zu kommen zwischen dem öffentlichen Interesse (Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit) und dem privaten Interesse (Beibehaltung der gewohnten Adresse, mögliche Beteiligung an den Kosten im Falle einer Umbenennung).

Heider SPD: "Frenssen-Straße umbenennen" (1983)

In der erst beginnenden Debatte fast vergessen: Schon vor 30 Jahren initierten die Heider Jusos (SPD) eine Initiative zur Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße. Was damals nicht erreicht wurde hatte andernorts Erfolg - und kehrt nun zurück.

Zum fünfzigsten Jahrestag der Bücherverbrennung (10. Mai 1933) forderten die Jungsozialisten in der SPD die "Umbenennung aller Gustav-Frenssen-Straßen", wie die Dithmarscher Landeszeitung damals berichtete (siehe unten). Die Jusos schrieben damals die Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen in Heide, Meldorf, Marne, Brunsbüttel und Burg an. "Während viele der 1933 'verbrannten' Dichter heute noch vergessen sind, wird ein Ex-Nazi in Dithmarschen symbolisch bejubelt" hieß es in der Pressemitteilung des Juso-Kreisvorstandes.
Geplant, und im Juni 1983 schließlich ausgeführt wurde die Verteilung einer Postwurfsendung an alle Einwohner der Gustav-Frenssen-Straße in Heide, die seit 1960 den Namen des Bartler Pastors und Schriftstellers trug. Inhalt waren Textauszüge aus Frenssen Schriften, mit denen dessen Befürwortung von Euthanasie ('Krankenmord'), Judenverfolgung und die "Förderung und Unterstützung des Nationalsozialismus", sowie "übelste antisemitische Hetze und geistige Mittäterschaft an den Nazi-Verbrechen" belegt wurden (DLZ vom 10.05.1983).
Vorausgegangen war diesen Bemühungen der Vorschlag zur Gründung einer "Gustav-Frenssen-Gesellschaft", die von Kreispräsident Gosau und dem Barlter Bürgermeister befürwortet wurde, weil Frenssen - so Gosau: "typisch hier Land und Leute verkörpere." Die Schulgruppe am Schulzentrum Heide-Ost der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) trat diesem Versuch einer Säuberung und Wiedertauglichmachung Frenssen energisch entgegen. In einem Leserbrief ("Über Gustav Frenssen", DLZ vom 03.05.1983), schrieb sie:
"Frenssen [...] gehört zu den Wegbereitern und Protagonisten des Nationalsozialismus. Im Interesse aller Dithmarscher muß diese 'Verkörperung' zurückgewiesen werden. Wer Frenssens 'Glaube der Nordmark' liest, findet ein abstruses Gemisch von antisemitischen und völkisch germanischen Phrasen vor. Nicht umsonst wurde dieses 'Machwerk' [...] während des 2.Weltkriegs in einer Feldausgabe [...] gedruckt. [...] 'Frenssen-Straßen' gibt es schon genug. Man bewahre uns vor einer Frenssen-Gesellschaft!"
Im September 1983 nahm die Heider SPD die Forderung der Jusos auf und stellte einen Antrag auf Umbenennung. Die DLZ berichtet in ihrer Ausgabe vom 15.09. dazu:
"Der Vorstand des SPD-Ortsverbandes Heide hat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, der SPD-Fraktion in der Heider Stadtverordnetenversammlung die Empfehlung auszusprechen, die 'Gustav-Frenssen-Straße' in Heide/Süd in 'Carl-von-Ossietzky-Straße' umzubenennen, beziehungsweise einen derartigen Antrag einzubringen."
"Frenssen sei ein glühender Anhänger und Befürworter der NSDAP und Adolf Hitlers gewesen", so der Vorstand. Vorstandsmitglieder Siegfried Strinkau und Sönke Diedrich hatten damals "mehrere tausend Seiten" Quellenmaterial gesammelt, die dies belegten.  
Im Januar 1984 fiel die Entscheidung allerdings anders aus: Die CDU-Mehrheit im Magistrat lehnte eine Umbenennung ab. In einer Stellungnahme hieß es:
"Gustav Frenssen könne bei kritischer Würdigung seines Schrifttums nicht als Wegbereiter des Nationalsozialismus angesehen werden."
Ansehen bei der Bevölkerung rechtfertigte Straßen-
namen trotz Massenmordpropaganda -
Gustav Frenssen in Barlt mit Hitler-Bild (1942).
Obwohl man Frenssens "Gedanken zur Vernichtung unwerten Lebens und zum Judentum" "schärfstens" verurteile, so rechtfertige doch "das Ansehen des Heimatdichters bei der Bevölkerung das Benennen einer Straße nach seinem Namen".
Der damalige Heider CDU-Ortsverbandsvorsitzende Berndt Steincke wird von der DLZ zu dieser Entscheidung folgendermaßen zitiert:
"Frenssen sei überwiegend als Heimatdichter tätig gewesen. Zeitgenossen hätten ihn als selbstlosen und warmherzigen Mann charakterisiert, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen anderer gehabt habe. 'Angesichts des Irrweges einer ganzen Nation im Nationalsozialismus ist es sehr schwer, eine gerechte Grenze dort zu ziehen, wo viele Menschen lediglich Mitläufer waren, andere aber mit politischem Einfluß den Nationalsozialismus und seine Ziele förderten', meint Steincke. Angesichts der geringen politischen Bedeutung des Dichters werde es nach Meinung des CDU-Ortsvorsitzenden zu einer Frage der Toleranz, diese Schattenseiten seiner Äußerungen nicht noch publik zu machen." (DLZ vom 14.01.1984). 
1983 reichte u.a. antisemitische Hetze und Befürwortung und Propandierung von Massenmord in hunderttausendfacher Auflage noch nicht aus einen "Heimatschriftsteller", der nicht Mitglied der NSDAP war oder ein politisches Amt innehatte, die Ehrung zu entziehen, sofern er (noch) im "Ansehen der Bevölkerung" des post-nationalsozialistischen Dithmarschens stand.
Der am konservativen Widerstand gescheiterte erste Versuch, die brisante politische Publizistik Frenssen zur Grundlage einer Aberkennung der Ehre des Straßennamens in Heide zu machen, soll auch an die Zeit in der alten Bundesrepublik erinnern, in der die den Ton angebende Generation der "Alten Kameraden" vermeintliche Heimatliebe zuweilen noch über Menschlichkeit stellte. 
Herr Steincke, inzwischen Vorsitzender der "Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung", der zusammen mit dem verstorbenen Klaus Steinschulte (SPD) gute Arbeit für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Dithmarschen leistete, urteilt heute zumindest auch deutlich anders über die politisch zu ziehenden Konsequenzen im Fall Frenssen. Und das ist gut so. 

Anhänge:
"Alle Gustav-Frenssen-Straße umbenennen" (DLZ vom 10.05.1983): 


"Gustav-Frenssen-Straße wird nicht umbenannt." (DLZ vom 14.01.1984):


Gustav Frenssen am Westermoorweg


Kriegsgräberstätte am Westermoorweg -

Gedenken an verscharrte Zwangsarbeiter

Das südliche Ende der Gustav-Fressen-Straße geht in den Westermoorweg über. Dort befindet sich ein Mahnmal für ein Massengrab russischer Kriegsgefangener, von denen als Zwangsarbeiter tausende nach Dithmarschen gebracht wurden (Gedenkstätte Gudendorf). Viele überlebten den Transport vom Ort ihrer Gefangennahme bis nach Dithmarschen mit der Bahn aufgrund von Unterernährung, Krankheiten und Schikanen nicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung auch derjenigen, die auf den Höfen die männlichen Arbeitskräfte ersetzen sollten, die in der Wehrmacht an Hitlers Lebensraumkrieg teilnahmen, war äußerst gering.
An der städtischen Schweinekoppel, nahe der Bahnlinie, kurz vor der Einfahrt in den Heide Bahnhof, wurden für die Verstorbenen Gruben vorbereitet, um den Einwohnern der Stadt den Anblick der Leichen, des Ergebnisses des Deutschen Vernichtungskrieges zu ersparen. Einige Namen der dort verscharrten sind durch ein Projekt der "Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung" inzwischen bekannt und eine ausführliche Broschüre wurde erstellt. 
Daß diese Gedenkstätte in Sichtweite einer Straße liegt, die seit 1960 nach einem aktiven Propagandisten des Hitlerregimes benannt ist, ist ein bitterer Zufall. Abscheulich wird es liest man noch Frenssens Zeilen, die er in der Wehrmachtsfrontzeitung Nr. 209 vom 15. April 1943 an die Soldaten schickt:
"Wir müssen [...] siegen [...], weil wir bei weitem - bei weitem! - der bessere Teil des Menschheit sind. [...] Wenn wir unterlägen, was bliebe übrig von der Menschheit? Wer würde über die Menschheit Herr sein? [...] Das Judentum: das ist Hassen und Ausplündern. Die Bolschewicken [= Russen]: das ist Untermenschentum."
Und in eine Artikel mit dem Titel "Der Glaube an das Licht" in der Schleswig-Holsteinischen Tageszeitung vom 6. Dezember 1944 schreibt Frenssen - nachdem sich die verbrecherische Kriegsmaschienerie und der Terrorapparat der Nationalsozialisten bereits Millionen Menschen getötet haben:
"Wir wissen, daß sie [= die Russen] alles, was in Deutschland kluge Augen hat, auslöschen oder nach Sibiren schleppen werden, und aus dem feinen saubere Deutschland einen Schweinestall machen."
Das Ende des "sauberen Deutschland", das Hunderttausende seiner Bürger in die KZ und Vernichtungslager deportierte und zugleich Millionen Zwangsarbeiter aus den besetzen Ländern seiner Nachbarn raubte und ebenfalls zu hunderttausenden zugrundegehen und allerorten - u. a. an einer Weide für Schweine - verscharren ließ, hat Gustav Frenssen, der am 11. April 1945 in Barlt starb nicht mehr erlebt. Daß sein Name noch in vielen Orten würdigend für Straßen Verwendung findet ist beschämend.
Sich überschneidende Schatten der Vergangenheit:
"...aus Deutschland einen Schweinestall machen".
In der Gustav-Frenssen-Straße wird es nie "Stolpersteine" geben (Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus), da in dem erst nach dem Krieg errichteten Baugebiet zwischen 1933 und 1945 keine Opfer des NS-Regimes lebten. Daß in unmittelbarer Nähe aber mehrere Dutzend "Untermenschen" "entsorgt" wurden, macht erneut deutlich, wie sich die Schatten der Vergangenheit auch heute noch auf erschreckende Weise überschneiden können.
Das sollte sich ändern.

[Frenssen-Zitate zitiert nach: Kay Dohnke: "... und kündet die Zeichen der Zeit." - Anmerkungen zur politisch-ideologischen Publizistik Gustav Frenssens; in: Kay Dohnke, Dietrich Stein (Hrsg.): Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur im Kaiserreich zur Massenideologie im NS-Staat. Heide 1997, S. 220-261.]