BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Dienstag, 26. März 2013

Chronologie: Umbenennungen von 1985 bis heute.

In vielen anderen Städten und Gemeinden Norddeutschlands, und v. a. Schleswig-Holsteins, dem Bundesland, in dem die meisten der nach Frenssen benannten Straßen und Wege liegen (wiederum mit einem Schwerpunkt in Dithmarschen), wurden bereits Namensänderungen durchgeführt, bzw. sind aktuell im Gespräch. Ein Überblick:

1980er Jahre:

Heide (1983), Hamburg (1984/1986), Marne (1985), Elmshorn (1985), Bad Segeberg (1986), Preetz (1988/89):

In den 1980er Jahren, 50 Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und am Jahrestag der zentralen Bücherverbrennung in Berlin, begann in Heide eine erste Debatte um die Ehrung Gustav Frenssens ("Dithmarscher Landeszeitung" vom 10.05.1983). Der Kreisvorstand der Heider SPD ließ im Juni 1983 eine Postwurfsendung an die Anwohner der Gustav-Frenssen-Straße verteilen in der über das Anliegen einer Umbenennung der Frenssen-Straße informiert wurde. Beigefügt waren Auszüge aus Schriften Frenssens aus der Nazi-Zeit. In Dithmarschen kam es daraufhin über Monate zu einer angeheizten Leserbriefdebatte. In keinem der Dithmarscher Orte (auch: Meldorf, Brunsbüttel und Marne) wurde jedoch schließlich eine Umbenennung vorgenommen.
Die Kampagne, besonders vorangetrieben von den Jungsozialisten, erreichte aber andere Städte: 
1984 wurde in Hamburg, wo Frenssen zwischen 1906 und 1919 als freier Schriftsteller lebte (Blankenese), und zwei Straßen nach ihm benannt waren (Eimsbüttel), Frenssen's antisemitische, rassistische und biologistische Anschauungen im Senat zum Thema (angeregt durch den Abgeordnete Bodo Schümann). 1986 beschloß der Senat die Umbenennung der Blankeneser Straßer in Anne-Frank-Straße. Ein Frenssen-Weg in Hamburg-Niendorf heißt seitdem Andreasberger Weg. Dennoch ist Frenssen in Blankenese noch präsent: Anna-Hollmann-Weg, der Jörn-Uhl-Weg und die Babendiekstraße sind nach Figuren aus seinen Romanen benannt.
In Elmshorn beschloß das Stadtverordneten-Kollegium mit 30 "Ja"- und 2 "Nein"-Stimmen eine Umbenennung der Frenssen-Straße in Thomas-Mann-Straße.
Der kurze Marner "Gustav-Frenssen-Weg" kam 1985 nochmals in die Debatte. Die SPD forderte eine Umbennenung, die damals mit der Begründung abgelehnt wurde, daß "Frenssens Lebenswerk nicht politischunterlegt sei und er sich erst zum Lebensende als Anhänger Hitlersgeoutet habe."
In Dithmarschen, aber auch in Bad Segeberg und Preetz, änderte sich zunächst nichts. In letzterem Fall, wie nicht selten, aus Rücksicht auf den für die Anwohner entstehenden Aufwand und die Kosten.

1990er Jahre:

Bad Bramstedt (1990er), Schleswig (1991), St. Peter Ording (1995), Eckernförde (1996), Bad Oldesloe (1999):

In Schleswig wurde die Frenssenstraße 1991 in Matthias-Claudius-Straße umbenannt, nachdem der "Flensborg Avis" - die Zeitung der dänischen Minderheit - auf Frenssens antisemitische Äußerungen aufmerksam gemacht hatte.
Auch in Bad Bramstedt erfolgte Anfang der 1990er Jahre die Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße. Die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen setzten gegen die Stimmen der CDU "Thomas-Mann-Straße" als einen Namen durch (Siehe: http://www.alt-bramstedt.de/Buch_Y_001ff2_lowres4er.pdf (Seite 147)).
In St.-Peter-Ording war erst im Jahre 1972 in einem Neubaugebiet ein Weg nach Gustav Frenssen benannt worden, wo er neben Storm, Hebbel und Groth als vermeintlich harmloser Heimatdichter ins Konzept passte. Die Gemeinde versuchte 1995, vor dem Hintergrund in anderen Städtenaufgekommener Diskussionen eine Umbenennung durchzuführen. Doch die Anwohner protestierten. Trotz fundierter inhaltlicher Information über den Schriftsteller und Propagandisten Frenssen, die von Kay Dohnke und Pastor Dietrich Stein auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung im Herbst 1996 gegeben wurden, verlief das Projekt der Gemeinde letztlich im Sande.  
Anders in Eckernförde: Hier beschloß die Gemeinde 1996, daß die Gustav-Frenssen-Straße künftig nach Käthe Kollwitz benannt werden sollte.
Heftige Kontroversen gab es dagegen auch in Bad Oldesloe: Eine Bürgerinitiative griff zu unsachlicher Rhetorik um Frenssen zu verharmlosen. Er wurde sogar als Gegner des Nationalsozialismus hingestellt. Womöglich war es aber gerade dieser rechtslastige Widerstand, der der Gemeinde die offensichtliche Notwendigkeit vor Augen führte, reinen Tisch zu machen. Die Gustav-Frenssen-Straße heißt seitdem (1999) Ernst-Barlach-Straße.

Die 2000er- Jahre:

Preetz (2009), Kiel (2011)

In Preetz setzte sich im Jahr 2009 bei den Stadtverantwortlichen, 20 Jahre nach den ersten Plänen auch die Erkenntnis durch, daß es bei Frenssen nicht bleiben könne. Mit breiter Mehrheit wurde eine Umbenennung beschlossen. Offen war lange Zeit der Name. Auch hier war Ernst-Barlach im Gespräch. Die Entscheidung fiel auf Jassy Torrund. Hinter dem Künsterlernamen verbirgt sich die in Preetz geborene Schriftstellerin Josepha Mose.  
In Kiel wurde die Frenssen-Straße 2011 in Ringelnatzstraße umbenannt. Ein überdimensioniertes Schild darunter gibt keine Erklärung dazu ab, wer denn Ringelnatz war, sondern erklärt ausführlich weshalb die Straße nicht mehr nach Frenssen benannt ist.  

Aktuelle und anstehende Debatten:

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