BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Mittwoch, 27. März 2013

Umfrage: "Neuer Name Frenssenstraße?"

Ergebnisse der Umfrage

Nummern der Postkarten (Für die Absender zur Kontrolle):
105, 106, 108, 138, 156, 164, 190, 193, 208, 227, 228, 237, 238, 243, 244, 253, 257, xxx*. (*Vom Absender unkenntlich gemacht.)
(Bis zum Ende des Abstimmungszeitraumes (27. April 2013) eingetroffene Karten).
Die Nummerierung der Anschreiben und Postkarten beginnt erst mit Nr. 100 und endet mit Nr. 264. Insgesamt 154 Wurfsendungen mit Postkarten wurden am 28. März 2013 ohne Verbindung von Adresse und Nummerierung zugestellt (1 je Haushalt). Nicht berücksichtigt werden konnten aus rechtlichen Gründen Haushalte, die durch entsprechende Hinweise an ihren Briefkästen der Zustellung von nicht persönlich adressierten Wurfsendungen widersprochen hatten.

Beteiligung und Repräsentativität:

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Mit ca. 12 % hat sich etwa jeder Achte angeschriebene Anwohner an unserer Umfrage beteiligt. Als Gründe für diesen Wert dürften Vorbehalte gegenüber dem Verfahren ((unberechtigte) datenschutzrechtliche Bedenken) gegenüber den Durchführenden (unbekannter Hintergrund), dass sich das Thema noch in einer Frühphase der öffentlichen Diskussion befindet, sowie Desinteresse genannt werden. Das hierbei eine Schweigeverzerrung vorliegt (also die Nichtantwortenden ein gänzlich anderes Abstimmungsverhalten an den Tag legen würden als die Antwortenden), ist möglich. Da die Zahlenverhältnisse (von Befürworten und Gegner) im vorläufigen Endergebnis während des Abstimmungsverlaufes im wesentlichen konstant blieben (frühe und späte eintreffende Antworten zeigten jeweils ein Verhältnis von 1 zu 2), lässt sich das Ergebnis -  wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad - auf die Gesamtheit der Befragten übertragen.  

Ergebnisse im Einzelnen:

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1. 66,6% der Antworteten lehnten eine Umbenennung ab, wobei davon 17% explizit den (finanziellen) Aufwand für die Anwohner als Grund nannten. 33,3% der Befragten stimmten dem Anliegen dagegen zu, das mit Frenssens schriftstellerischen Aktivitäten im Dritten Reich begründet ist.




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2. Bei der Frage, ob im Falle einer beschlossenen Umbenennung der konkrete Vorschlag "Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße" eine gute Alternative darstellen würde, äußerten sich 50% der Befragten negativ, wobei als einzelne Begründung die Länge der Namensvariante genannt ist. Bis auf einen ausländerfeindlich gesinnten, rechtsextremen Vorschlag sind von Seiten der Ablehnenden keine Alternativen genannt worden. Die andere Hälfte der Befragten stimmte dem Vorschlag dagegen entweder zu (33%), nannte kürzere Alternativen wie "Brüder-Mann-Straße" oder "Thomas-Mann-Straße" (11%) oder enthielt sich einer Entscheidung (6%).

Bewertung:

Es zeichnete sich ab, dass niemand explizit für die Person Gustav Frenssen Partei ergriff. Wo sich nicht zu Gründen für den Bestand des Straßennamens geäußert wurde liegen diese - so lässt sich vermuten - auch in teils jahrzehntelanger Gewohnheit zahlreicher Altanlieger, die mit dem Namen bislang nichts, weder positives noch negatives verbinden, sondern ihn schlicht nur als einen Straßennamen betrachten. Es zeichnet sich daher nicht ab, dass es - wie in Bad Oldesloe 1996 - zur Bildung einer Bürgerinitiative kommt, die versucht den Dichter zu "reinigen".
Konkret ist die Kritik daher nur in punkto Kosten: Ließe sich der die Anwohner betreffende Aufwand mildern (etwa durch eine teilweise Übernahme von Kosten (als Pauschale für jeden Haushalt) oder ein Moratorium (zwischen Umbenennungsbeschluss und dessen Vollzug läge eine längere Zeit (bspw. bis zu 1 Jahr)), das die Umstellung und den Verbrauch etwa von Werbeartikeln mit Adresszug ermöglicht), wäre der wesentlicher Konfliktpunkt aus dem Weg zu räumen.
Eine Umbenennung nach beiden oder einem der Brüder Mann fände wohl insgesamt (bei Umbenennungs-Befürwortern wie auch bei einem Teil der Gegner) mehr Zu- als Widerspruch, wenn auch z. T. eine kürzere Form gewünscht würde (Vorschlag: "Brüder-Mann-Straße").

(Gesamtübersicht. Zum Vergrößern klicken)

Kommentare der Absender (ggf. gekürzt (z. B. pers. Angriffe)):

[zu 1 (=pers. Gründe für oder gegen eine Umbenennung); zu 2 (=Vorschläge, Kommentare zu einem neuen Namen)]

Nr. xxx* (unkenntlich) zu 1: "Für die Kanaken!!!"; zu 2: "Kanakenstrasse, Klein Russland"
Nr. 108 zu 2: "Th.-Mann-Straße"
Nr. 190 zu 2: "Brüder Mann"
Nr. 193 zu 1: "Strassenänderung kostet Zeit und Geld. Wer bezahlt Adressaufkleber, Visitenkarten, Zeugnisse, Personalausweis und alle anderen Amtsunterlagen??"
Nr. 208 zu 1: "Weil mir der Name gefällt"; zu 2: "Ist zu lang, wenn dann nur Thomas-Mann-Str."
Nr. 227 zu 1: "Sehe keinen Sinn darin, gibt weitaus wichtigere Dinge um die man sich kümmern müsste! :)"; zu 2: "viel zu lang der Name"
Nr. 237 zu 1: "Da ich nicht unterstütze in einer rechtsorientierten Straße zu wohnen"
Nr. 238 zu 2: "Übernehmen Sie die anfallenden Kosten!!!"
Nr. 243 zu 1: "Geifernde Polemik im Zuge leerer Kassen, die den Anwohnern hohe Kosten (Änderung Ausweis pp) zusätzlich aufzwingt ist Ihnen wohl nicht bewußt! Sie wären gut beraten, endlich die Vergangenheit ruhen zu lassen!" (H.F.* vollständiger Name genannt).

Umfrageinformation:

Vom 28. März bis zum 26. April 2013 versucht eine Umfrage herauszufinden, wie die Anwohner der Gustav-Frenssen-Straße in Heide aktuell zu aufgekommenen Plänen einer Umbenennung stehen, die bereits zum Ende des Jahres in der Ratsversammlung debattiert werden könnten. Es soll dazu angeregt werden sich zu informieren und gegebenenfalls an der Suche nach einem neuen Namen zu beteiligen.

Die Unterlagen

Insgesamt 154 Briefe sind den Haushalten mit dem Umschlagvermerk: "Bezug: Umfrage zum Thema 'Neuer Name Frenssenstr.?'" zugestellt worden. Die Schreiben bestehen aus folgenden Teilen:

1. Formelles Anschreiben
2. Faltblattinformation zu Gustav Frenssen
3. Frankierte Antwortpostkarte mit Umfrage

Im Anschreiben wird kurz über den aktuellen Anlass des Schreibens informiert:
"Wie Sie dem Zeitungsartikel 'Straßenname in der Kritik' in der Dithmarscher Landeszeitung vom 20. Dezember 2012 entnehmen konnten, wird sich ein neues Projekt der 'Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung' mit der Person des Dithmarscher Pfarrers und Schriftstellers Gustav Frenssen (1863-1945) und seiner Rolle im Dienst der Propaganda des nationalsozialistischen 'Dritten Reichs' beschäftigen."
Das Schreiben erläutert das Verfahren der anonymen Meinungserhebung als Mittel einer möglichst frühzeitigen Sensibilisierung und Information der in erster Linie betroffenen Anwohner, denen durch Veröffentlichung der Ergebnisse, Meinungen, Kritiken und Vorschläge (zunächst auf dieser Webseite, später ggf. in den lokalen Medien) ein Forum zur Bürgerbeteiligung geboten werden soll.
Zudem wird die Akzeptanz des möglichen Vorschlages "Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße" im Falle eines Umbenennungsbeschlusses erfragt.

In einem Faltblatt werden eine kurze Biographie Frenssens ("Wer war Gustav Frenssen?"), die heute nur noch den wenigsten geläufig ist, und Hinweise zu weiterführender Literatur abgegeben. Den Hauptteil bilden jedoch Auszüge aus seinen Schriften "Recht oder Unrecht - mein Land" (1940) und "Lebenskunde" (1942), die bereits ein Bild von den radikalen nationalsozialistischen Ansichten Frenssens vermitteln (Ausführlicher hier dargestellt und kommentiert).

Auf der Antwortpostkarte, die mit dem Vermerk "Entgelt zahlt Empfänger" versehen ist, erhält der Empfänger die Möglichkeit seine bisherige Präferenz mitzuteilen (Umbenennung: Ja, Nein, Weiß (noch) nicht; H.-und.-Th.-Mann-Straße?) bzw. Lob und Unmut, Ideen und Anfragen zu äußern, die - anonym oder auf eigene Angabe hin - ebenfalls veröffentlich werden können, um ein Meinungsbild zu ermitteln.

Je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto repräsentativer und ggf. hilfreicher wird es sein, zu einem Ausgleich zu kommen zwischen dem öffentlichen Interesse (Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit) und dem privaten Interesse (Beibehaltung der gewohnten Adresse, mögliche Beteiligung an den Kosten im Falle einer Umbenennung).

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