Gustav
Frenssen (1863-1945) und Adolf Bartels (1862-1945) verbindet ihre
Heimat, ihr berufliches Schaffen, ihre fast identische Lebensspanne
und zuletzt auch ihre politische Überzeugung im Dienste des
Nationalsozialismus - Ein Vergleich.
Gustav
Frenssen starb am 11. April 1945 in Barlt. Noch in seinen letzten
Worten, gerichtet an den Schleswig-Holsteinischen
Gauleiter Hinrich
Lohse, drückte er seine Überzeugung von und Hoffnung auf den
Endsieg Hitler-Deutschlands aus. Am selben Tag befreiten die
Amerikanischen Truppen bereits das thüringische Weimar, wo
Adolf Bartels schon am 7. März 1945 verstorben war - unschwer zu vermuten
mit derselben Gesinnung. Nur wenige Wochen später, am 5. Mai 1945
stehen die Briten auch in Dithmarschen. Der 2 Weltkrieg endet 3 Tage
später.
Adolf
Bartels, geboren in Wesselburen und Gustav Frenssen aus Barlt, beide
Handwerkersöhne, hatten für kurze Zeit gemeinsam das Gymnasium in
Meldorf besucht. Von hier aus nahmen ihre beiden Lebenswege jedoch
zunächst einen völlig unterschiedlichen Verlauf:
Karrieren
im Kaiserreich
Während
Frenssen, wegen schlechter Noten, an das Gymnasium nach Husum wechselte,
dort erst 1886 (mit 23) das Abitur ablegte, u. a. in Tübingen
erfolgreich Theologie studierte und seit 1890 als Pastor in Hennstedt
(ab 1892 in Hemme) tätig war, hatte Bartels 1882 die Schule kurz vor
dem Abschluss allein weil sein Vater das Schuldgeld nicht mehr hatte
aufbringen können abbrechen müssen. Als Hilfsschreiber am
Wesselburener Amtsgericht und Nachhilfelehrer schlug er sich
zunächst durch bevor er 1885 nach Leipzig zog und - ohne Aussicht
auf einen akademischen Abschluss - Vorlesungen über Literatur,
Geschichte und Philosophie besuchte. Zur selben Zeit als Frenssen
wieder in seine Heimat zurückkehrte, hatte es Bartels zum
Chefredakteur der Lahrer Zeitung (Baden) gebracht und bereits als
freier Schriftsteller zahlreiche Gedichte, Erzählungen und für
verschiedene Zeitungen, sowie Theaterkritiken und Rezensionen
verfasst.
Das
persönliche Verhältnis zu seinem ehemaligen Mitschüler Frenssen,
dem die akademische Laufbahn nicht verwehrt geblieben war, und der
mit "Jörn Uhl" (1901) einen überraschenden Durchbruch als
Schriftsteller hatte, war zeitlebens belastet - vermutlich vom Neid
Bartels -, wie ein teilweise erhaltener Briefwechsel zwischen den
beiden, der sich um Bartels' Verriss eines Frenssenwerkes drehte
andeutet.
Bartels:
Völkischer "Vorkämpfer"
Um
die Jahrhundertwende hatte sich Bartels, der in Frankfurt/Main seit
1892 mit jüdischen Intellektuellen, Schriftstellern und Verlegern
bekannt war, zu einem radikalen Antisemiten gewandelt. Er
veröffentlichte seine "Geschichte der deutschen Literatur"
(1901/02) in der er unter 9000 Autoren eine "reinlichen
Scheidung zwischen Deutschen und Juden" vornahm. Er prägte auch
den Begriff der "
Heimatkunst", jener literarischen
Bewegung, die das vorindustrielle Zeitalter romantisch idealisierte
und die meisten Erscheinungen der Moderne ablehnte.
In
die Zeit des Kaiserreiches fällt auch seine politische Aktivität in
der "
Völkischen Bewegung", der
nationalistisch-antisemitischen Strömung des Kaiserreich, aus der
nach 1918 die NSDAP hervorging. 1913 organisierte Bartels den
"Deutschen Tag" in Eisenach, der eine der frühen
Versammlung völkisch-politischer Gruppen darstellte.
Frenssen:
Liberal, national, sozial
Zu
einer Zeit als sich in Bartels Schriften fast alles um den "Einfluss
der Juden" auf die Deutsche Kultur drehte, war die Verbindung
von Nationalismus und Antisemitismus, in Frenssens Schaffen und
Äußerungen noch nicht gegeben. Jahrzehnte später, 1932, wird er in
einem Brief schreiben:
"Ich
war vor 30, 40 Jahren ein National-Sozialist und bin nie etwas
anderes gewesen oder geworden. [...] Nun, da dieser
National-Sozialismus in neuer Erscheinung hochkommt, gegen 70 Jahre
alt, habe ich nicht mehr den schönen Glauben, an ihn wohl, aber
nicht so an seine Vertreter. Ich habe aber für Hitler gestimmt [...]
weil auch ich in ihm - ich habe ihn nicht gesehen - das Beste des
deutschen Wesens ahne." (nach: Dohnke/Stein, S. 85)
Frenssen
spielte damit auf seine Nähe zum liberalen "
NationalsozialenVerein"
Friedrich Naumanns an, mit dem zusammen er 1902 den
Ehrendoktor der Theologie der Universität Heidelberg verliehen
bekam. Den Pastor und Schriftsteller bewegen in diesen Jahren soziale
Fragen seines heimatlichen Umfeldes, wie etwa die ernüchternde
Situation der Landarbeiterschaft ("Die drei Getreuen"
(1898)).
Daß
Frenssen Naumanns Partei mit der Bewegung der neuen Machthaber zu
identifizieren scheint ist höchst kurios: Der von 1896-1903
bestehende "Nationalsoziale Verein" war in Ablehnung der
"
Christlich-sozialen Partei" des ehemaligen preußischen
Hofpredigers Adolf Stoeckers gegründet worden, weil er dessen
Antisemitismus ablehnte. 1903 schloß sich Naumann mit den meisten
Anhänger seiner Partei der "Freisinnigen Vereinigung" an,
für die er ab 1907 im Reichstag saß. Adolf Bartels urteilt daher
auch in seinem autobiographischen Buch "Kinderland" (1914),
daß "
der Freisinn nichts weiter sei als eine Judenschutztruppe"
(Bartels, S. 459).
Weimarer
Jahre
Nach
dem ersten Weltkrieg blieb Adolf Bartels politisch eindeutig:
rechtskonservativ und völkisch, und neigte zunächst der
"
Deutschnationalen Volkspartei" (DNVP) zu. Schon 1924
veröffentlichte er aber eine Broschüre mit dem Titel "Der
Nationalsozialismus Deutschlands Rettung" und wurde 1925
Ehrenmitglied der NSDAP-Ortsgruppe Weimar.
Frenssen
dagegen neigte zumindest Anfang der 1920er Jahre noch aufgeklärt
liberalen Ansichten zu und bekannte sich zeitweilig zur neuen
Demokratie. Seine Denken ist "disparat und schillernd" und
"steckt noch voller Widersprüchlichkeiten und Unsicherheiten"
(Crystall, S. 379). Die zwar schon vorhandenen Ideen zur Euthanasie
und Rassenhygiene (Eugenik) rücken erst später in den Mittelpunkt.
Auch eine sich radikalisierende antisemitische Haltung entwickelt
sich erst in Korrespondenz mit seinem Verleger Müller-Grote und
findet sich im zweiten Band der "Grübeleien" ("Möwen
und Mäuse") von 1927 (Vgl. Crystall, S. 400ff., 404ff.)
Nach
1933
In
der Zeit nach 1933 schließt Frenssen zu Bartels Publizistik der
vorangegangenen Jahrzehnte auf: Während Bartels sich seinem letzten
großen Werk, die "Geschichte der Thüringischen Literatur"
(1938/1942) widmet, die zwar auch entsprechend gefärbt ist, aber
keine eigentlich politische Schrift darstellt, entwickelt Frenssen
sich zu einem Propagandisten der nationalsozialistischen Ideologie
("Der Glaube der Nordmark" (1936), "Recht oder
Unrecht" (1940) und "Lebenskunde" (1942) u. a.).
Zeitgleich mit dem Ausschluß der Brüder Mann und anderer liberaler
oder jüdischer Autoren wird Frenssen zum Mitglied der "
PreußischeAkademie der Künste" berufen. Seine Ehrung durch das Regime
anläßlich seines 70. Geburttag läßt ihn in eine jener vielen
Lücken aufrücken, die die Nationalsozialisten in der Kultur
gerissen haben (
Bücherverbrennung am 10. Mai 1933). Er wird
Vorstandsmitglied des 1936 gegründeten "
EutinerDichterkreises", der sich "bewusst den Zielen der
NS-Regierung“ unterordnet (Lawrence D. Stokes) und arbeitet bis in
die letzten Kriegs- und Lebensmonate für den Rundfunk und die
Reichspressestelle der NSDAP.
Schluß
Im
schriftstellerischen und politischen Werdegang von Bartels und
Frenssen finden sich neben Parallelen auch deutliche Gegensätze.
Festzuhalten ist mit diesem sehr kurzen Abriss, daß beide
keinesfalls bloß "harmlose Heimatschriftsteller" waren,
sondern auch stets - persönlich und in ihren Werken - politisch
bewegt waren (siehe auch: Frenssen's "Peter Moors Fahrt nach
Südwest" (1906)).
So
wie Adolf Bartels als klarer Wegbereiter und frühes Mitglied
völkischer Gruppierungen und später der NSDAP identifiziert werden
kann, muß man auch eingestehen, daß Gustav Frenssen - im Gegensatz
zu seiner Frühzeit - aktiver, willentlicher und radikaler
Propagandist der nationalsozialistischen Politik und ihrer Programme
zur Euthanasie (
T4-Krankenmord), Eugenik (
Lebensborn) und der
Verfolgung der Juden wurde.
Frenssen
war wie Bartels nie ordentliches Mitglied der NSDAP. Seine frühe
Erfolge als Schriftsteller machten ihn während der Jahre 1933 bis
1945 attraktiv für die Förderung eines Personenkults um ihn und
seiner Schriften im Dienst des Regimes. Wenn die Aberkennung der
Ehrung mit Schul- und Straßennamen für Bartels mit einer
Verurteilung seiner vor 1933 erfolgten antisemitischen Propaganda
begründet wurde, dann war und muß dies verständlicherweise ebenso
für die breite und konkrete antisemitische Propaganda Frenssens in
den Jahren nach 1933 gelten, auch wenn beide eine unterschiedliche
Vorgeschichte haben.
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