Im Vorfeld und nach der
Informationsveranstaltung zum Thema "Das Politikum Gustav Frenssen" am 17.
Dezember 2013 im Kulturforum Heide-Ost wurden in der "Dithmarscher
Landeszeitung" zwei Leserbriefe veröffentlicht, in denen die
Autoren eine ideologische Nähe zu Frenssen zum Ausdruck brachten und
dabei aggressiv-rechte Äußerungen tätigten.
Am 9. Dezember schrieb
Walter Höer aus Brunsbüttel auf die Berichterstattung zum Thema "Gustav-Frenssen-Straße" hin:
"In der Mitte des
Artikels fragte ich mich: "Denkt der Leser jetzt, ob hier nur
harmlose Leute tätig sind, die ein Haar in der Suppe suchen, oder
sind es ewig gestrige Weltverbesserer und Nestbeschmutzer?" Am Ende
fragte ich mich: "Hat eine der selbstbewusstesten Nationen der
Erde, in der nicht nur die orthodoxen Fanatiker sich für das
auserwählte Volk halten, es nötig, sich solcher Helfer und Kriecher
zu bedienen?"
Im folgenden nennt Herr
Höer noch die Namen der von ihm so diffamierten Personen: Berndt
Steincke, ehem. Vorsitzender der Stiftung gegen Extremismus und
Gewalt in Heide und dessen Nachfolger Dieter Beuse, Propst Dr.
Andreas Crystall, und Geschichtslehrer Dr. Matthias Duncker, die am
derzeitigen Frenssen-Projekt beteiligt sind und schimpft sie
nochmals (in einer rhetorischen Frage) "Bilderstürmer und Bücherverbrenner".
Schlimmer als diese
Diffamierungen sind die tiefsitzenden antisemtischen Affekte. In der
geistigen Nachfolge der "
Protokolle der Weisen von Zion"
unterstellt Herr Höer dem Staat Israel, bzw. den Juden (= "... eine der
selbstbewußtesten Nationen", "... sich für auserwähltes Volk
halten") eine (aktive) Rolle in der Heide Straßen-Umbenennungs-Debatte zu spielen. Eben
diese Behauptung einer Verschwörung eines "
internationalen Weltjudentums" ist eine der klassischen, auch im
Nationalsozialismus gepflegten antisemitischen Diffamierungen: Sogar
in die Angelegenheiten provinzieller norddeutscher Kleinstädte mischten "sie" sich ein, mittels
williger deutscher "Helfer", "Kriecher" und "Nestbeschmutzer".
Im folgenden hetzt Herr Höer noch
gegen die Erziehung "unsere[r] Einzel- und Verwöhntkinder" und
verlangt:
"... dass man unsere ausländischen Einwanderer, die gerne
bei uns bleiben möchen, davon überzeugt, dass sie ausschließlich
hier ihre Heimat sehen und unsere Sitten und Gebräuche
respektieren."
Den Topos des rechtschaffenen Bürgers
bedienend, sind für Herrn Looft die Initiatoren der
Umbenennungs-Debatte "Müßiggänger, die wohl sonst nichts
Ordentliches mit ihrer Zeit anzufangen wissen". Es folgt ein
sehr allgemeiner Angriff auf Propst Dr. Crystall und "die Kirche", der von Unkenntnis, Unwahrheiten und
Lügen strotzt:
"Aber warum mischt Propst Crystall
mit? Warum mahnt unser Propst nur den Antisemitismus in der NS-Zeit
an und will deswegen Gustav Frenssen aufarbeiten und nachholen,
blendet aber 2000 Jahre Judenverfolgung von Kirche und Christen aus?
Dabei hat sich Gustav Frenssen schon 1945 geläutert. Die Kirche
hingegen hat bisher nichts zurückgenommen."
Propst Dr. Andreas Crystall schrieb
seine
Dissertation über Gustav Frenssen und veröffentlichte diese später
als Buch. Seine Beteiligung an einer Informationsveranstaltung zu Frenssen ist
daher alles andere als unverständlich. Schlimmer dagegen ist die
Tatsachenverdrehung die ihr folgt. Herr Looft behauptet, die Kirche habe
in Sachen christlichem Antijudaismus "bisher nichts zurückgenommen",
auch nicht in Sachen Luther und dessen Pamphlet von 1543 ("
Von den Juden und ihren Lügen"), während Gustav Frenssen sich im Jahr
1945 (seinem Todesjahr) davon (?) "geläutert" habe. Hier zeigt sich
die realitätsverweigernde Resistenz des Autors, die nicht weiter belegt zu werden braucht.
In seinem Schlußplädoyer verharmlost
Herr Looft schließlich sogar noch alle Dinge, für die Gustav Frenssen - und eigentlich auch der Nationalsozialismus insgesamt -
zu verurteilen sind:
"Antisemitismus. Gab es den nicht
schon immer? Euthanasie? Wird und wurde in vielen Staaten
praktiziert! Und Rassengesetze? Die Zionisten gaben damals ihr Okay.
Und man schaue heute nur nach Israel!"
Um Frenssen zu retten werden
schließlich Antisemitismus, Euthanasie und Rassismus für allgemein
üblich erklärt und verharmlost. Nach dieser Argumentation könnte
man also eigentlich keinem Nationalsozialisten einen Vorwurf machen.
[Antisemitismus als
rassistisch begründete Judenfeindschaft ist zudem erst ein Produkt des 19.
und 20. Jahrhundert (Während der kirchliche Antijudaismus in der
Regel über Jahrhunderte jüdisches Leben in Europa prinzipiell
zuließ, strebte der Antisemitismus stets die "Auflösung" des
Juden in seiner Eigenschaft als Juden an, sei es durch Auswanderung, durch extreme
Anpassungsauflagen oder wenn dies - wegen ihrer nicht veränderbaren Eigenschaft als
“unverbesserliche Rasseschädlinge" - schließlich für nicht möglich gehalten
wurde: durch Auslöschung (3. Reich, Shoah/Holocaust)).
Euthanasie, bzw. der 100.000-fache Mord an Behinderten, Andersdenkenden, "Asozialen", ist in Deutschland außerhalb der Nazi-Zeit nie gesellschaftlich oder staatlich toleriert, praktiziert oder akzeptiert worden (Vor dem
Hintergrund des biblischen Tötungsverbotes ist
Sterbehilfe nur in sehr seltenen, bestimmten Fällen erlaubt).]
Dass man von Karl-Wilhelm Looft, der
offen bekennt sich in den 50er und 60er Jahren für die "Freiheitspartei" des ehemaligen NSDAP und "Deutsche Reichspartei"-Mitglieds
Prof.
Heinrich Kunstmann engagiert zu haben, solches Schreiben erwarten kann, ist klar. Dass es die "Dithmarscher Landeszeitung" weder bei ihm noch bei Herrn Höer
für bedenkenswert hielt, solche Hetze abzudrucken, ist dagegen schwer verständlich.
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