BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Montag, 24. Februar 2014

Bad Segeberg - Gustav-Frenssen-Weg wieder Thema

Nachdem in Heide die Diskussion um die Gustav-Frenssen-Straße, 30 Jahre nach einem ersten Umbenennungsversuch, wieder aufgekommen ist und die Weichen Richtung Austausch des Straßennamens gestellt werden, regt sich auch in anderen schleswig-holsteinischen Gemeinden wieder die Debatte.

In den Jahren nach 1983/84 waren - angestossen von den Dithmarscher Jungsozialisten - Initiativen in Hamburg (1984), Elmshorn (1986), Bad Bramstedt (199?), Schleswig (1991), Eckernförde (1996) und Bad Oldesloe (1999) und später, erfolgreich damit, dass die Ehrungen für den von völkisch-nationalsozialistischer Propaganda überschatteten Schriftsteller zurückgenommen wurden (Siehe dazu unsere Chronologie).

In Bad Segeberg gab es bis jetzt sogar drei Anläufe:
  • Im Mai und Juni 1986 gab es eine Debatte und einen Antrag auf Umbenennung, der allerdings abgelehnt wurde (siehe: Segeberger Zeitung vom 6.6.1985, S. 5)
  • Nur 12 Jahre später kam das Thema wieder auf:                                                                      Vom 18. Januar bis zum 27. März 1998 fand damals im Rathaus die Ausstellung "Jüdisches Segeberg" statt, in der die Geschichte der jüdischen Gemeinde, die hier seit 1730 existierte, präsentiert wurde, die während der Nazi-Zeit praktisch ausgelöscht wurde (Juden in Bad Segeberg. Nach dem einzigen Überlebenden, Jean Labowsky, der von 1946-1950 auch Leiter der Stadtverwaltung war, benannte die Stadt 2007 eine Straße).                                                     Auch diesmal blieb der Name Gustav Frenssen erhalten, v. a. weil sich die CDU sträubte.
  • Im Januar 2013 berichteten die Lübecker Nachrichten Online (http://www.ln-online.de/Nachrichten/Kultur/Kultur-im-Norden/Wenn-alte-Namen-neue-Zweifel-wecken vom 27.01.2013 (nur noch kostenpflichtig abrufbar)) wieder über Bad Segeberg:                        Walter Blender, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, die nach 1990 durch den Zuzug von Juden aus Osteuropa wiedererstanden ist und 2007 ihr neuerbautes Gemeindezentrum einweihen konnte, sagte zum Thema Frenssen: „Die nächste Generation wird uns fragen: Warum habt ihr nichts dagegen gesagt? Und das wollen wir als jüdische Gemeinde nicht auf uns sitzen lassen.“ Bürgervorsteherin Ingrid Altner (CDU) wollte das Thema damals erst nach den Kommunalwahlen (Mai 2013) angehen.
Inzwischen ist - wohl auch durch die bereits im Schleswig-Holstein-Magazin thematisierte Diskussion in Heide - ein dritter Anlauf im Gange. Anfang Februar fasste die SPD den Beschluss, sich für eine Umbenennung einzusetzen:

Während über Frenssen wohl nun schlußendlich Einigkeit herrscht, wird ein anderer Fall dagegen wohl kontrovers werden, denn die Genossen möchten auch Dr. Helmut Lemke (1907-1990) vom Straßenschild verbannen, und der ist kein weitgehend vergessener Schriftsteller, sondern ehem. Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein (CDU, 1963-1971), der in der NS-Zeit Bürgermeister von Eckernförde und Schleswig - und natürlich NSDAP-Mitglied - war.
Hier muss man wohl aber einsehen, dass jemand, dem schließlich der langjährige SSW-Landtagsabgeordenete und dänische Widerstandskämpfer Karl Otto Meyer bescheinigt, sich in seiner bis 1983 andauernden parlamentarischen Laufbahn "glaubhaft zum Demokraten gewandelt" zu haben, noch die Chance hatte sich politisch zu bewähren und zu rehabilitieren. 

Es bleibt also wohl viel Gesprächsstoff, wo man rote Linien ziehen sollte.
http://www.kn-online.de/Lokales/Segeberg/SPD-will-Strassennamen-aendern
Link zum Zeitungsbericht in der "Segeberger Zeitung" vom 03.02.2014




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