BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Freitag, 11. April 2014

Brunsbüttel: Bildungsausschuß will Umbenennung

Auch in Brunsbüttel werden die Weichen gestellt: Der Bildungs- und Kulturausschuss der Schleusenstadt hat auf seiner Sitzung am Mittwochabend (09.04.2014) mit großer Mehrheit die Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße empfohlen. Das abschließende Votum liegt noch bei der Ratsversammlung.

In Brunsbüttel hatte es von Anfang an eine erhebliche Kontroverse um das Umbenennungsvorhaben gegeben, das v.a. von den Grünen vorangetrieben worden war. So hatten auf einer Anwohnerversammlung, an der 45 der 116 in der Straße gemeldeten Personen teilnahmen, 43 für eine Beibehaltung des Namens plädiert. Zum Vergleich: in Heide hatte an einer ähnlichen Veranstaltung lediglich 8 Personen (von über 350) teilgenommen.
U.a. kam es in der Diskussion zu Äußerungen, dass der Name Gustav Frenssen durch die kritischen Veröffentlichungen "beschmutzt" worden sei, sowie zu einer Verharmlosung des Euthanasieprogramms der Nazis. Ein Leserbrief eines Anwohners enthielt offen antisemitische Töne.

Auch wenn klar ist, dass die Umbenennung für die einzelnen Anwohner einen gewissen Zeit-, Arbeits- und auch Geldaufwand bedeutet, so kann dies die inhaltliche Bewertung des nationalsozialistischen Propagandaschaffens Gustav Frenssens nicht umbiegen:
Vielen Kritikern des Barlter Schriftstellers wurde dabei vorgeworfen, sich nicht mit dem positiven Teil seines Werkes und seiner Biografie auseinandergesetzt zu haben und erst wieder nach Jahrzehnten der Vergessenheit in Frenssen nun einen "Sündenbock" für die Nazi-Zeit gefunden zu haben. Doch auch der überwiegenden Mehrheit der Anwohner sagte der Namensgeber ihrer Straße wohl fast nichts und wohl kaum einer ist wegen des Straßennamens in diese gezogen.

Wer sich aber für Frenssen interessiert, der kann nicht nur antiquarisch die teils in hohen Auflagen erschienen Werke aus der Zeit um die Jahrhundertwende beziehen (und leider auch seine nationalsozialistischen Schriften), sowie den Studienband "Gustav Frenssen in seiner Zeit", der im Boyens Verlag, Heide erschienen ist. Pastor i.R. Dietrich Stein führt auch gerne - nach Anmeldung - noch durch das ehem. Wohnhaus des Dichters in Barlt und gibt kompetent Auskunft über dessen Lebensweg.
Für die Zukunft stellt sich die Frage, wie man diese Art der aufklärerisch-kritischen Beschäftigung am gemeinsamen Schaffensort von Prosa und Propaganda institutionell absichern kann, um etwa Schulklassen der höheren Jahrgänge am Beispiel Frenssen u.a. die Verführbarkeit zum Extremismus zu veranschaulichen.

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