Der Bauausschuß der Stadt Heide hat am Montag die Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße in Lilly-Wolff-Straße beschlossen. Der Beschluss erfolgte mit Gegenstimme des Bauausschußmitglieds Egon Ott (FDP), der sich für den Namen "Hemmingstedter Straße" eingesetzt hatte. Für die übrigen Mitglieder war die Benennung nach einem prominenten Heider Opfer des Nationalsozialismus aber auch ein Stück "Wiedergutmachung" und Erinnerungsarbeit.
Der Kommentar von Redakteurin Dana Müller dazu in der heutigen Berichterstattung der "Dithmarscher Landeszeitung" (09.04.2014) beschäftigt sich kritisch mit der Debatte:
"Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Umbenennung der Straße eben nicht die Erinnerungskultur beflügle. Und natürlich kann man der Meinung sein, dass die literarischen Leistungen Frenssens wichtiger seien als seine Weltanschauung. Aber viel zu oft fielen auch Äußerungen, die gut in die politischen Verhältnisse der Zeit von 1933 bis 1945 gepasst hätten."
Noch gestern konnte man allerdings in der DLZ wieder nachlesen, was damit gemeint sein könnte. So wurde auf Seite 18 unter dem Titel "Nichts gelernt" ein Leserbrief veröffentlicht, der nicht ausließ, Vorurteile zu schüren und Nazivergleiche zu bemühen. Der Verfasser reagiert darin auf einen Leserbrief von Samstag, 5. April 2014, in dem eine
Anwohnerversammlung in Brunsbüttel kritisiert wurde, bei der sich zumindest die anwesenden Bewohner der Gustav-Frenssen-Straße mehrheitlich für eine Beibehaltung des Namens ausgesprochen hatten.
Der Verfasser des zweiten Leserbriefes kontert unter anderem mit dem völlig überzogenem und für den Angesprochenen ehrverletztenden Satz:
„Ihre
Art der Meinungsdiktatur hat zu den Bücherverbrennungen geführt.“
Im weiteren Verlauf beklagt er "Zensur" von "abweichenden Meinungen", wenn diese nicht "pc" [= politically correct] seien, und dass er sich nicht von "Tugendwächtern" sagen lassen wolle, ob er sich einen "Negerkuss" kaufen dürfe. Ganz erheblich verschärft sich dann die Rhetorik noch, wenn er beklagt, dass
„zugleich das Schächten, die
Beschneidung, die Zwangsehe mehr oder weniger zugelassen oder
zumindest geduldet werden“
und:
„Ehrenmorde unter Umständen
„kulturhistorisch strafmildernd“
bewertet würden.
Er fordert
dann den anfangs angesprochenen Verfasser abschließend das obige zusammenfassend dazu auf:
„Bekämpfen Sie all das, was heute die Demokratie gefährdet.“
Mit der Aneinanderreihung von zentralen religiösen Ritualen und Speisegeboten sowohl des jüdischen, wie des islamischen Glauben, die in Deutschlang gesetzlich unter dem Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz) erlaubt sind (Praxis der
Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für jüdische und muslimische Schlachtereien; rechtliche Absicherung und Regelung der Praxis der männlichen Beschneidung durch § 1631d BGB seit 2012) in einem Verein mit schweren und schwersten Straftaten (Nötigung, Mord) geht eine erhebliche Schmähung der jüdischen und islamischen Religion einher, zumal diese abschließend noch als "
demokratiegefährend" bezeichnet werden.
Zudem ist es sachlich falsch, dass Zwangsheiraten in Deutschland "
zugelassen" oder "
geduldet" würden, da seit 2011 der explizite
Straftatbestand der Zwangsehe in § 237 StGB definiert wurde, während die Zwangsehe bereits zuvor als Nötigung strafbar war.
Als Fazit lässt sich wohl vorläufig schon konstatieren, dass die Diskussion um Gustav Frenssen heute jede Menge Ressentiments gegen ausländische Mitbürger und das "Fremde" im allgemeinen hochgespült hat - kein schönes Bild für die DLZ, und kein schönes für Dithmarschen.
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